
Der Frühling ist eine besondere Zeit. Spüren wir dank des Aufbruchs in der Natur nicht auch so etwas wie eine Erneuerung, eine Leichtigkeit im Gemüt? Sie tut uns gut, die Zeit des Wachsens, des Blühens, der frischen Energie.

Was weckt Eure Lebensgeister, was bringt Euch in Frühlingsstimmung? Liebesgefühle? Hyazinthenduft, die sich entfaltende Natur? Oder vielmehr das Zwitschern der Vögel am Morgen? Oder ein laues Lüftchen? Für mich sind es die ersten duftenden Veilchen, die ich im noch zart begrünten Wald finde.

Das Veilchen gibt es in ganz Europa in gemässigten Zonen, aber nicht nur. Auch in Japan, Australien, in Nord- und Südamerika ist es bekannt. Bestimmt wisst Ihr, dass es, je nach Art, ganz unterschiedliche Farben trägt: von hellblau, tiefblau, violett bis rosa, weiss und gelb. Veilchen lieben feuchte Böden und den Halbschatten. Ich halte die ganz kleinen, dunkelvioletten für die «richtigen». Sie riechen lieblich, sind aber wegen der kurzen Stilchen eher anspruchsvoll zu pflücken. Bei ihnen spricht man von den echten Veilchen (Viola odorata); sie haben violette Blüten mit zwei Blütenblättern oben und drei Blütenblättern unten.

Viele romantische Dichter haben in schwärmerischer Weise die unscheinbaren Veilchen besungen. Von Theodor Storm stammt dieses hübsche Gedicht: «Die Kinder haben die Veilchen gepflückt / All, all, die da blühten am Mühlengraben. / Der Lenz ist da; sie wollen ihn fest / in ihren kleinen Fäusten haben.» Ende des 19. Jahrhunderts war es Mode, Blumen im Haar, an Hüten, Muffs, Schleppen und Kleidern zu tragen. Besonders die Veilchen waren gefragt, man trug sie als ganze Sträusschen. Das brachte Dichterherzen zum Überfliessen. Da liest man z.B.: «…dies Veilchen, für die schönste Brust gepflückt…» oder «Mein Veilchen… dich soll ein schöner Los beglücken, den schönsten Busen sollst du schmücken…» Ein Veilchensträusschen im Dekolleté der Liebsten brachte das Blut des Verehrers in Wallung. Was für romantische Zeiten… Ein paar bescheidene Veilchen vermögen heute wohl keinen Mann mehr herbeizulocken!

Nicht nur ich mag den wohlriechenden und beruhigenden Duft: Seinetwegen wurde das Veilchen schon von den Griechen und Ägyptern zu verschiedenen Ritualen und Götterverehrungen genutzt. Auch als Heilpflanze dient das winzige Gewächs. Aber Achtung, zu oft sollte man es nicht verwenden, da ein Zuviel Magenbeschwerden verursachen kann.
Ich liebe Veilchen-Sirup, wie ihn die Franzosen herstellen. Im Internet habe ich ein Rezept gefunden, es aber noch nicht selbst ausprobiert, ebenso wenig dasjenige für Konfitüre. Wer wagt sich an die beiden Rezepte? Es versteht sich von selbst, dass es keine gezüchteten, gespritzten Blüten sein dürfen. Es steht also Kleinstarbeit an!
– Etwas ausgefallen ist die Veilchenmarmelade:
- 75 g Veilchen
- 250 ml Wasser
- 200 g Puderzucker
- Saft einer halben Zitrone
Das Wasser, der Zitronensaft und der Puderzucker werden zusammen gekocht. Anschliessend gibt man die entstielten Veilchenblätter hinzu. Das Ganze lässt man eine halbe Stunde kochen, bis alles eingedickt ist. Nun füllt man die heisse Masse in Einmachgläser und lässt sie abkühlen.

– Ebenfalls nicht alltäglich ist Veilchen-Sirup:
Nimm eine Handvoll frischer Veilchenblüten und lasse sie in 300ml Wasser mit 300gr Zucker einen Tag lang ziehen. Dann werden die Blüten abgeseiht und das «aromatisierte Zuckerwasser» wird ca. 1 Stunde lang im Wasserbad verkocht und eingedickt. Den entstandenen Sirup giesst man anschliessend in eine Flasche und hebt ihn gut verschlossen im Kühlschrank auf. Der Sirup eignet sich auch als Hustensirup.
Natürlich bedient sich auch der Volksmund des Veilchens:
- Blau wie ein Veilchen – sturzbetrunken sein
- Ein Gemüt wie ein Veilchen haben – naiv sein
- Wie ein Veilchen im Verborgenen blühen – trotz grosser Vorzüge unentdeckt bleiben
- Ein Veilchen haben – ein blaues Auge haben
- To be a shrinking violet – sehr schüchtern sein
Nun hoffe ich, dass Ihr weder «ein Veilchen habt» noch «blau wie ein Veilchen» seid, damit Ihr den Frühling riechen und geniessen könnt.

Mit duftigen Grüssen, Elisa
20.04.2022