
Unter Eheleuten
Sie, Anfang 50, attraktiv, tüchtig, beklagt sich, dass ihr Mann neuerdings dauernd mit einer 60jährigen flirte. Wer möchte da nicht begütigen? Darum sagt der Freund: «Ach, komm! Du brauchst dir doch keine Gedanken zu machen. Was will dein Mann denn mit einer so alten Schachtel anfangen?» Als er den Blick seiner eigenen Schachtel auffängt, welche die 70 bereits überschritten hat, fügt er hastig hinzu: „Natürlich haben ältere Sch…, äh…Frauen ebenfalls ihren Reiz.“ Jetzt ist die Stimmung definitiv im Eimer. Eheliches ‘Klingenkreuzen’ findet auf heiklem Terrain statt. Wenn’s zudem um eine fremde Ehe geht, wird das Terrain geradezu explosiv. Besser, man mischt sich nicht ein!
Unter den Lauben
Ich ging unter den Lauben der Stadt, als ich ihn sah: Karl. «Oh hallo, Karl,» rief ich vergnügt, «schön, dich zu sehen. Wie geht es dir denn?» Er kam näher, aber erst, als er schon sehr nahe war, entdeckte ich, o Schreck! dass es gar nicht Karl war. Ich bin kurzsichtig, müsst Ihr wissen, trage jedoch nur ungern eine Brille. Der Mann lächelte mich an: «Hallo! Ich bin nicht Karl,» (etwas, das ich inzwischen auch bemerkt hatte), «aber es war trotzdem schön.» Sprach’s und setzte seinen Weg durch die Lauben fort. Von da an sah ich ihn des öftern, rein zufällig, unter den Lauben, im Quartier, auf dem Arbeitsweg – monatelang, jahrelang, und jedes Mal grüssten wir einander leise lachend, in Erinnerung an unsere allererste Begrüssung. Dann zog ich um. Seither bin ich ihm nie mehr begegnet. Manchmal vermisse ich Karl. Denn Karl, der gar nicht Karl hiess, war eigentlich ein sehr netter Mann.
17. Juli 2018, Elisabeth