Begleitet Ihr mich ins Landhaus Ettenbühl? Keine Bange, nur virtuell. Ettenbühl liegt in Deutschland, etwa eine halbe Stunde Autofahrt von Basel entfernt. Berühmt ist es für seine wunderbaren Rosengärten, den „English Afternoon Tea“ und das englische Ambiente, in dem Gartenfreunde und England-Nostalgikerinnen wie ich stundenlang schwelgen können. Ein Besuch lohnt sich selbst dann, wenn die Rosen noch nicht blühen. Aber seht selbst.
Soeben ist ein Gewitter niedergeprasselt, doch jetzt können wir einen Rundgang durch die Parkanlagen wagen.
Der Regen hat gut getan: Die Gärten erstrahlen in frischem Grün.
Die zarten Peonien leuchten um die Wette!
Überall gibt’s lauschige Ecken und Ruhebänke. Jetzt sind sie natürlich nass.
Der Flieder duftet, auch wenn er noch feucht ist.
Jetzt wird’s Zeit für den feinen Classic Afternoon Tea. Was darf’s denn sein zu den Köstlichkeiten? Ein Granny’s Gesundheitstee, ein Assam Rose, ein edler Pai Mu Tan? Oder vielleicht gar ein indischer Rajah’s Rose Tea? Pro Person gibt’s eine ganze Kanne voll. Cheers!
Foto Landhaus Ettenbühl
Gesättigt und zufrieden. Doch jetzt ist Bewegung gefragt. Was nun? Irrgarten oder Bambuswäldchen?
Der Boden ist überall nass. Macht nichts, Erde gehört dazu.
Morgen ist auch noch ein Tag. Das Zimmer will ebenfalls „erobert“ sein. Das englische Bett sieht sehr romantisch aus. Darum heisst es jetzt: Good night, sleep tight.
Habe ich mich wie eine Königin gefühlt? Nicht wirklich. Das eigene Bett daheim ist bequemer.
Weisse Schwertlilien sieht man nicht alle Tage.
Heute scheint die Sonne!
Englische Glockenblumen!
Bald blühen die Seerosen
Japanischer Ahorn – er glüht nicht erst im Herbst
Auch das gibt’s hier: Quitten-Blust
Kennt Ihr die Euphoria-Blume?
Gelbe Magnolien habe ich bis heute noch nie gesehen. Die winzige Biene vielleicht auch nicht. Jedenfalls hat sie’s mit der Akrobatik
Die Rosen blühen natürlich noch nicht.
Seht Ihr die neugierige kleine Spinne auf dem Blütenblatt der Magnolie?
Gelbe Peonien sind ebenfalls nicht alltäglich.
Tulpen sind dankbar. Sie gedeihen einfach überall.
Noch ein letzter Rundgang!
Ich hoffe, es hat nicht nur mir gefallen! Geniesst den Frühling, auch wenn es zwischendurch regnet. (Die Fotos stammen, bis auf die zwei vom Landhaus Ettenbühl, alle von mir.)
Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich Alles, Alles wenden.
Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Thal: Nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich Alles, Alles wenden. (Ludwig Uhland)
Foto Elisa: Himmelsschlüsseli und Wiesenschaumkraut
Blumenduft Blumenduft vom Nachbarfenster Weht der Wind zu mir herein, Und es scheint ein Gruß der Liebe Aus der Ferne mir zu sein. (Theodor Storm)
Foto Elisa: Veilchen und violette Immergrün
Er ist’s Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. – Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist’s! Dich hab ich vernommen! (Eduard Mörike)
Wenn ich solche Worte finge, Braucht es dann noch großer Dinge, Dich zu preisen, Frühlingstag? (Ludwig Uhland)
Foto Elisa: Stern-Tulpe
Flügelt ein kleiner blauer Falter vom Wind geweht, Ein perlmutterner Schauer, Glitzert, flimmert, vergeht. So mit Augenblicksblinken, So im Vorüberwehn Sah ich das Glück mir winken, Glitzern, flimmern, vergehn. (Hermann Hesse)
Foto: fotocommunity.de
Foto Elisa: Butterblumen
Sagt, ist der Frühling nicht wundervoll? Blumen sind die Sprache der Seele, habe ich einmal gelesen. Wie wahr! Eure Elisa 04.05.2023
Über Eure zahlreichen Kommentare habe ich mich sehr gefreut. Dadurch angeregt, sind mir weitere Geschichten rund ums Schenken eingefallen. Wollt Ihr sie hören?
Geschenke für Männer sind, zumindest für mich, besonders schwierig. Nicht so bei meinem Sohn. Schon als Teenager war er kompromisslos ehrlich. So sagte er zum Beispiel einmal: «Ich habe keine Freude an einem T-Shirt aus einem Land, das ich nicht kenne. Kauf mir nach einer Reise lieber hier ein paar feine Pralinen, da hab ich mehr davon.» Durch seine Offenheit war mir bald klar, worüber er sich freute. Im Gegenzug wusste auch er ganz genau, was ich mir insgeheim wünschte, oder von dem ich noch gar nicht wusste, dass ich es mir wünschte. Seine Geschenke trafen immer ins Schwarze und sind mir noch heute sehr lieb. Einander Nahestehende haben es mit Sicherheit leichter.
Nach meiner Scheidung kaufte ich während Kurzferien im Tessin in einer Kunstgalerie ein Bild. Auf dem Postweg nach Bern ging das Glas zu Bruch, was ich dem Galeristen mitteilte. Kurz darauf erhielt ich einen prächtigen Strauss Rosen: 21 Stück, alle in verschiedenen Farben. Angeheftet war eine kurze Notiz: «Natürlich bekommen Sie ein neues Bild. Aber diesmal liefere ich es persönlich ab. In 21 Tagen bin ich bei Ihnen.» Das war der romantische Beginn einer besonderen Freundschaft.
Eine Freundin schenkte mir eine Silberkette mit einer stilisierten Inuit-Frau aus massivem Silber. Der aparte Schmuck stammte von ihrem jungen Schwager, der kurz zuvor mit dem Flugzeug tödlich abgestürzt war. Er hatte für eine Hilfsorganisation als Heli-Pilot gearbeitet. «Ich weiss, er hätte gewollt, dass du diese Kette bekommst», erklärte sie. Das war das stumme, bestürzende Ende einer scheuen Zuneigung.
Foto von Ansgar Walk: Inuit People
Auf einer Wanderung mit Mann und Kind blieb ich bei einem Bauerngarten stehen, um die herbstlichen Blumen zu bewundern, die in allen Farben um die Wette leuchteten. «Haben Sie einen wunderschönen Garten», sagte ich zur Bäuerin. Als ich weitergehen wollte, rief sie: «Warten Sie!» und pflückte mir einen herrlichen Dahlien-Strauss, der fast zu gross war für mich. Sorgsam trug ich ihn für den Rest der Wanderung in den Armen und nach Hause. Das war ein unvergessliches Erlebnis, das mich tief beglückte.
Foto by Localflowers.org.: Dahlien
Solch unerwartete Glücksmomente wünsche ich Euch im 2023 immer wieder! Liebe Grüße, Elisa Dreikönigstag, 06.01.2023
Mauritius im Indischen Ozean, drei Tage vor meiner Rückreise. Eben war ich vom schattigen Liegestuhl aufgestanden und freute mich auf den Lunch im offenen Restaurant. Kaum auf den Beinen, wurde mir nullkommaplötzlich speiübel und schwindlig. Ich schaffte es noch knapp in mein Zimmer. Dort hing ich trotz der tropischen Temperaturen schlotternd über dem Wasserbecken und erbrach mich so heftig, dass ich innert kürzester Zeit ganz schwach wurde. Nur mit Mühe konnte ich mich zurück aufs Bett schleppen, wo mich aber der Brechreiz alle paar Minuten wieder ins Badezimmer zurückjagte. Am ganzen Körper zitternd, schaffte ich es nicht einmal, mein Pareo-Tuch und den Badeanzug auszuziehen und mich zuzudecken. Zufällig erhaschte ich einen Blick im Spiegel. Ich erkannte mich kaum wieder. Statt des gesunden, sonnengebräunten Gesichts starrte mich ein aschfahles an. Als mich der freundliche Room Boy fand, rief er sofort den Arzt, der mir eine Spritze sowie ein Spezialgetränk verabreichte, das ich jede Viertelstunde Löffelchen weise einnehmen musste.
Heidi Schade: Frangipani
Wahrhaft paradiesisch waren meine Ferien bisher gewesen – und jetzt das! Obwohl Alleinreisende, hatte ich im lichterfüllten, mit üppigen Anthurienbouquets geschmückten Hotel schon am ersten Abend Anschluss bei anderen Hotelgästen gefunden: da waren Plantagenbesitzer aus Simbabwe und Namibia, Geschäftsreisende aus China, Südafrikaner aus Kapstadt, Piloten und Flugbegleiterinnen der South African Airways, die auf ihrem Weg nach dem fernen Osten einen Zwischenstopp auf Mauritius einlegten, und sogar ein Flitterwochenpaar aus Italien. Es war eine bunt zusammengewürfelte, aufgeschlossene Gesellschaft, die sich während der Happy Hour um sechs Uhr abends für alles Mögliche verabredete.
Heidi Schade: Chamarel
Dadurch hatte ich immer Begleitung bei einem privaten Ausflug: In den Hauptort Port Louis, zu dem uns der Weg an Feuerbäumen in ihrer schönster Blüte und Zuckerrohrplantagen vorbei führte; in den Südwesten von Mauritius zu den vulkanischen Felsformationen; nach Chamarel zu den siebenfarbigen, sagenhaften Dünen aus Vulkanerde und den saftig-grünen Kaffee- und Teefeldern in den Bergen, bis zum berühmten Botanischen Garten Pamplemousses, wo die Seerose Victoria Amazonica mit ihren bis zu 2m grossen, flachen Pflanzenblättern der Star ist, zusammen mit den vielen uralten Bäumen und Palmen.
Die Victoria Amazonica-Seerose
Vergnüglich war auch eine Glasbodenfahrt auf dem glasklaren, türkisfarbenen Meer mit Blick auf die leuchtende «Unterwelt», sowie der Besuch einer unbewohnten Insel weit hinter dem Riff, wo der einheimische Bootsführer für uns fünf nach Austern tauchte, für deren Genuss wir vorsorglich Limetten mitgebracht hatten.
Heidi Schade: Kugelfisch
Abends gab’s die eine oder andere Party. Wir sassen an weissgedeckten, langen Tischen am Strand, lachten, assen, tranken, liessen uns mitreissen von den temperamentvollen Sega-Tänzern, die neben lodernden Feuern über den weissen Sand wirbelten. Oft tanzten wir dann selbst bis in die frühen Morgenstunden, auf einer Terrasse über dem Meer. So herrlich und romantisch, so ausgelassen und lebensfroh! Umfangen von milder, balsamischer Nachtluft, mit fröhlicher Musik und dem Rauschen der Brandung in den Ohren – und erst noch unter dem still schimmernden Kreuz des Südens, das ich hier zum ersten Mal erblickte!
Mit einem Paar aus Durban in Südafrika, er Engländer, sie aus Mauritius, verband mich eine spontane Freundschaft. Jetzt würden sie sich gewiss Sorgen machen über mein langes Ausbleiben am Strand während der Nachmittagsstunden. Abends, als ich mich besser fühlte, ging ich zu ihnen in den Speisesaal, aber ich hatte keinen Hunger. Ich trank einen Tee und begann an einem Brötchen zu knabbern. Bald suchte ich mein Zimmer auf. Das angebissene Brötchen legte ich auf den Nachttisch, für den Fall, dass mich eine (erhoffte) Heisshungerattacke aus dem Schlaf holen würde.
Helles, in mein Zimmer strömendes Sonnenlicht weckte mich am Morgen. Als mein Blick auf den Nachttisch fiel, machte ich grosse Augen. Auf dem Brötchen wimmelten winzige, gold-braune Ameislein, bedeckten es ganz und gar, was ihm eine Art pelzverbrämtes Aussehen verlieh. Mit spitzen Fingern packte ich das Ding und trug es auf meinen Balkon. Kaum hatte ich mich wieder hingelegt, ertönte ohrenbetäubendes Vogelgezwitscher.
Ich lächelte: die blauen, roten, gelben und grünen Vögel auf den Baum-Ästen vor meinem Balkon hatten mich schon an den vergangenen Tagen erfreut. Doch jetzt klang das Gezwitscher zänkisch. Ich dachte an den „kapuzentragenden Nachtvogel“, den Dodo, der leider schon im 17. Jahrhundert ausgerottet worden war. Ob er wohl ebenso tiriliert und gesungen hatte wie andere Vögel? Er lebte ausschließlich auf der Insel Mauritius, war etwa einen Meter gross und flugunfähig. Seine Zutraulichkeit führte dazu, dass er sich weder gegen Eroberer mit ihren Gewehren noch gegen mitgebrachte fremde Tierarten zu wehren verstand.
Das laute Zwitschern hörte abrupt auf. Als ich nachschauen ging, war der Balkonboden wie leergefegt. Ich fand keine einzige Ameise und nicht die kleinste Brotkrume, auch die Vögel waren weg. Ohne es zu ahnen, hatte ich den gefiederten Freunden einen opulenten «Sandwich»-Plausch spendiert.
Was mich angeht, konnte ich auch an den verbleibenden Tagen kaum etwas essen und trinken, selbst auf dem fast 11stündigen Rückflug lösten Esswaren Widerwillen in mir aus. Wieder zu Hause, fühlte ich mich nicht besser. Das Weiss in meinen Augen begann sich gelb zu verfärben. Der Tropenarzt stellte denn auch eine akute Leberinfektion (Hepatitis A) fest.
Es dauerte Monate, bis mein gewohnter Appetit zurückkehrte, und noch länger, bis ich wieder Brötchen (ohne Ameisen!) essen mochte…
Dennoch ist wahr, was eine verstorbene Freundin zu sagen pflegte: «Wer je auf einer tropischen Insel war, trägt für immer eine Sehnsucht mehr in seinem Herzen!»
Müde geworden, setzten wir uns auf
dem von uralten Bäumen und prächtigen Gebäuden gesäumten Rustaweli Boulevard auf
eine der zahlreichen Sitzbänke, die auf dem breiten Trottoir standen. Die
belebte Allee ist eine 1,5 km lange Hauptverkehrsstrasse im Zentrum von Tiflis
und gilt als Prachtstrasse der georgischen Hauptstadt. Neben den unzähligen Platanen verleihen Blumenrabatten,
kleine Parks mit Rasenflächen, Trinkwasserfontänen und Skulpturen dem Boulevard
eine freundliche Atmosphäre. Den Höhepunkt bildet der grossräumige Freedom
Square mit dem Rathaus und der vergoldeten, 5.6m hohen Statue des Heiligen
Georgs. Unter der russischen Herrschaft stand bis 1990 hier noch die Statue von
Lenin, hiess der Platz noch Lenin Square.
Überall in Georgien empfingen uns die Menschen aufs Liebenswürdigste. Dass Touristen in diesem aussergewöhnlichen Land überaus willkommen sind, haben wir täglich erlebt. Was uns ebenfalls angenehm auffiel, war diese lockere, ruhige Art der Georgier – die signalisierte, dass es hier nicht zuallererst ums Geld geht. Leistungsdruck war nicht spürbar. Im Restaurant z.B. gab’s kein ständiges Auftauchen des Servicepersonals am Tisch, um unsere Plätze möglichst rasch wieder freizubekommen. Auf ein Trinkgeld hinarbeiten, zum Konsumieren drängen: Nichts von alledem. Dafür Geduld, Aufmerksamkeit, Lächeln, Luftküsse, Dankeschön mit „Hand aufs Herz“. Didi Madloba, Georgien!
Doch nun hatten wir Grund, müde zu
sein. Hinter uns brauste auf sechs, manchmal gar acht Spuren der Verkehr vorbei,
lärmten aufheulende Motoren, wirbelten Abgase in den sonnigen Nachmittagshimmel.
Vor uns dröhnte aus jedem Restaurant, jedem Laden überlaute Musik, deren Rhythmen
aus leistungsstarken Lautsprechern im Wettstreit mit dem Verkehrslärm zu sein
schienen. Auf einem ausgedehnten Bummel waren wir an armen Bettlerinnen, an Bouquinistes
und Malern vorbeigeschlendert, die ihre zum Teil gebrauchten Waren an
schmiedeeisernen Geländern oder auf Mäuerchen ausgebreitet bzw. aufgehängt
hatten. Die farbenfrohen, glänzenden Souvenirs der Andenkenverkäuferinnen kamen
auf breiten Gebäudetreppen am besten zur Geltung und lockten Neugierige an. Nicht,
dass uns diese unerwarteten Sinneserlebnisse missfallen hätten, aber sie hatten
uns an diesem ersten Tag in Tiflis ermattet, und so sassen wir eine ganze Weile
auf besagter Sitzbank.
Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als sich uns eine Frau näherte, deren Aussehen etwas auffallend Schrilles hatte. Doch war sie auf eine klägliche Art aufgedonnert. Ihre Kleidung war bunt und zusammengewürfelt. Die verfilzten Haare trugen Spuren von misslungenem (oder längst überfälligem) Färben, sie zeigten sämtliche Nuancen von Hell- bis Dunkelgelb. Ihre Lippen waren blutrot geschminkt und übel verschmiert. Im linken Arm hielt sie ein paar verwelkte Blumenbouquets, mit der rechten Hand streckte sie mir den verfaultesten davon hin, einen Asternstrauss mit geknickten Blüten, deren verblasste Farbe kaum noch erkennbar war. Es sah aus, als hätte sie die Blumen aus einem Abfallkübel gefischt. Oder trug sie sie seit Tagen herum, ohne dass jemand sie kaufen wollte? Natürlich wehrte ich ab, doch sie blieb einfach stehen. Aus der Nähe betrachtet, erschien sie mir unter der Schminke ziemlich alt und elend. Deshalb öffnete ich mein Portemonnaie, in dem sich noch wenig Geld in der Landeswährung befand. Stattdessen fischte ich einen 5EuroSchein heraus, was etwa 16.30 Lari (GEL) ausmachte. Es schien wenig, würde hier aber für mehrere gute Abendessen reichen.
Misstrauisch betrachtete sie das Geld,
dann legte sie die lädierten Blumen rasch in meinen Schoss und setzte ihren Weg
fort. Nach ein paar Schritten kam sie eilends zurück und ging zielstrebig in die
Wechselstube, die sich zufälligerweise links gegenüber unserer Sitzbank befand.
«Die hat sich nicht einmal bedankt»,
bemerkte DER MANN. «Macht ja nichts», meinte ich, «ich glaube, sie ist sehr, sehr
arm.» Kurz darauf verliess die Frau die Wechselstube. Wieder kam sie zu mir und
starrte mich mit grossen Augen an. Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte. Als
sie dicht vor mir stand, beugte sie sich über mich. Sie küsste mich auf den
Kopf, mitten ins Haar: einmal, zweimal… ganze fünfmal – langsam, zärtlich, ohne
ein Wort zu sagen. Überrascht wie ich war, rührte ich mich nicht. Schliesslich wandte
sie sich zum Gehen. Ich blickte ihr nach, wie sie leicht hinkend, doch aufrecht
und würdevoll, in der Menge verschwand. Ich fragte mich, wie ihr bisheriges
Leben verlaufen sein mochte. Ungebunden, sorglos, abenteuerlich oder traurig? In
Georgien hat die Familie einen hohen Stellenwert. Man sorgt liebevoll
füreinander, auch in finanzieller Hinsicht. Hatte die Blumenfrau keine Familie,
niemanden, der sich um sie kümmerte?
Noch selten hat mich etwas so tief berührt wie dieses stumme, zarte Dankeschön von einer Fremden. Ich wünschte, ich hätte mehr für sie getan.