Orangen, Orangen, Orangen!

Foto: Ellen Levy Finch: Orangen mit Blüten

Kommen wir einen Moment zur Ruhe und lassen uns in Gedanken umhüllen von südlicher Wärme – und vom Duft frischer Orangenblüten. Herrlich! Er ist intensiv-süss, sinnlich, wirkt entspannend, ja geradezu betörend! Kein Wunder, aromatisierten und schmückten maurische Fürsten ihre Paläste mit Orangenbäumen. Das aus getrockneten Blüten gewonnene Destillat (das teure Neroliöl) findet heutzutage auf vielfältige Weise in der Parfümindustrie Verwendung, sowie in der Medizin, z.B. als Beruhigungsmittel. Den gesundheitlichen Nutzen erwähnte der deutsche Gelehrte Bischof Albertus Magnus, der Entdecker des Arsens, bereits 1250.

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Kennt Ihr die Sevilla-Orangen? Dies sind Bitterorangen, roh absolut ungeniessbar, sie haben einen bitter-sauren Geschmack. Ihr Aussehen ist rundlich, etwas platt. Im reifen Zustand ist die orange Schale dicker und unebener als die der süssen Orangen. Schön anzuschauen sind sie nicht. Und doch lässt sich daraus die schmackhafteste Marmelade machen.

Bitterorangen haben ihren Ursprung im nordöstlichen Indien und den angrenzenden Teilen Burmas und Chinas. Sie erreichten Europa erst etwa im 10. Jahrhundert. Dass wir es den Mauren, die Andalusiens Kultur massgeblich beeinflussten, zu verdanken haben, dass die Bitterorangen nach Sevilla kamen, scheint am wahrscheinlichsten.

Noch heute liefert Andalusien, vor allem Sevilla, den Briten und ihrem Königshaus das Rohmaterial für die berühmte, heissgeliebte «Bitter Orange Marmelade». Sie unterscheidet sich klar von der bei uns im Supermarkt erhältlichen Orangen-Konfitüre. Meine englische Freundin erzählte mir, dass sich einst ein englischer Reisender über die vielen faulenden Orangen in den Strassengräben Sevillas wunderte. Da man sie nicht essen kann, werden Bitterorangen ja kaum je gestohlen… Der Engländer jedoch ruhte nicht eher und pröbelte so lange, bis er herausfand, dass sie sich zum Kochen von Konfitüre bestens eigneten. Wie auch immer, ich finde die bittersüsse, feingeschnittene britische Marmelade aus Sevilla-Orangen wunderbar. Habt Ihr sie schon einmal (zweimal, dreimal…) gekostet? Einige Tropfen des Destillats ergeben zudem eine feine Zutat für viele orientalische und europäische Süßigkeiten.

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Wegen ihrer gänzlich unterschiedlichen Verwendung darf man Bitterorangen nicht mit den bekannteren Süssorangen verwechseln. Im 15. Jahrhundert tauchte die süsse Variante dann ebenfalls in Europa auf. Es ist nicht gesichert, aber man nimmt an, dass der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama sie von einer seiner Weltumsegelungen nach Portugal brachte. Jedenfalls wurden sie – im Gegensatz zu heute – zunächst fast ausschliesslich in Portugal angebaut und von Lissabons Hafen aus in die weite Welt verschickt. Doch waren sie lange vor allem der Oberschicht vorbehalten und galten auch bei uns bis ins 20. Jahrhundert hinein als kostbare, alles andere als selbstverständliche Frucht.

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Möchtet Ihr zum Schluss noch eine jüdische Anekdote lesen?
Ein deutscher Jude wanderte während des zweiten Weltkriegs nach Amerika aus. Sein Englisch war anfangs natürlich eher mangelhaft. Eines Tages wollte er in einem Früchteladen Orangen kaufen. Dabei sah er zum ersten Mal Bitter-Orangen, billig zwar, aber ziemlich hässlich. Der Händler erklärte ihm: «For juice only» (nur für Saft). Der Jude zuckte zusammen. Der Ärmste hatte verstanden: «For Jews only» (nur für Juden). Bitter enttäuscht erzählte er einem Freund: «Auch die Amerikaner sind Antisemiten. Stell Dir vor, für uns Juden gibt es nur die schäbigsten Orangen.»

Foto: Fruchtknall.de – Süssorangen, alles andere als schäbig…

Jetzt wäre es herrlich, in einen saftigen Süssorangen-Schnitz zu beissen! Oder sich an einem frischen Orangensalat mit feingeschnittenen Datteln und einem Schuss Grand Marnier zu erlaben. Bekanntlich sind Orangen (und andere Zitrusfrüchte) köstliche Vitaminbomben. Am liebsten mag ich frischgepressten Orangensaft. Mmhh! Läuft Euch auch das Wasser im Mund zusammen?
Herzlich zum Wohl!
03.03.2021, Elisa

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Foto Marco Schicker: Orangenbäume

PS. Kumquats, ovale, sehr kleine Zwerg-Orangen aus Asien, sind roh und gekocht geniessbar.