
(Fortsetzung vom 7.11.2018, „Auf Safari“)
Am Tag danach wollte es mit „Abrahams schützendem Schoss“ nicht so recht klappen. Das hatte jedoch weder mit Nachtwächter Mose noch mit Tansania etwas zu tun.
An diesem Tag beschloss ich, mich auszuruhen, um meine Afrika-Erlebnisse gemütlich Revue passieren zu lassen. Nachdem die anderen zur letzten Morgen-Safari aufgebrochen waren, breitete sich im Camp eine wohltuende Stille aus. Eben hatte ich es mir im Liegestuhl vor meinem Zelt bequem gemacht, als er auftauchte: Ein eher kleiner, struppiger, unsympathischer Kerl von einem Affen, der mich aus bösen Knopfaugen scharf beobachtete. Sass ich auf seinem Lieblingsspielplatz? Seine Gegenwart machte mich unruhig. Ich hatte in Malaysia Affen fotografiert und in Indonesien Affen gefüttert, auch eine Affenmutter, an deren Brust sich ein winziges Baby festklammerte, während sie sich die Erdnüsschen schnappte. Aber dieser Affe hier sah alles andere als freundlich aus.
„Piss off,“ sagte ich mit lauter Stimme. Er machte keine Anstalten, der Aufforderung Folge zu leisten, im Gegenteil, er kam näher. Als er sich anschickte, die Treppe zu mir herauf zu hüpfen, spürte ich instinktiv die nahende Gefahr. Ich erhob mich und stieg auf der entgegengesetzten Seite die Treppenstufen hinunter zum schmalen Weglein, das zum Zentrum des Camps führte.
Ich war erst ein paar Meter gegangen, als es in den hohen Bäumen auf beiden Seiten des Pfades lebendig wurde. Rundum raschelte und knackte es. Die Geräusche und Bewegungen folgten mir auf dem Fuss, ja, sie wurden immer schneller. Mein Nackenhaar begann sich zu sträuben. Ich beschleunigte meinen Schritt, doch vergebens. Als ich auf die breite Lichtung hinaustreten wollte, welche die Zelte von den zentralen Gebäuden trennte, traute ich meinen Augen nicht: Vor mir, in einem grossen Halbkreis, waren etwa zwanzig Affen versammelt und versperrten mir den Weg. Nicht genug, sie fletschten die Zähne, schauten mich lauernd an, hockten sprungbereit! Jetzt geriet ich wirklich in Panik. Ein kräftiger Adrenalinschub – und ich schrie aus Leibeskräften in die Lichtung hinaus: „Help!!! Help!!!“ Das schien die Affen zu verblüffen, lenkte sie kurz ab.
Gottseidank gehören die Kenianer zu den schnellsten Läufern der Welt. In den folgenden bangen Sekunden sah ich drei von ihnen in weit ausholenden Sprüngen und laut rufend heranstürmen. Der erste, der bei mir ankam, nahm mich sogleich schützend in die Arme, die zwei anderen warfen grosse Steine auf die zornige Affenbande. Obwohl Affen vor den Einheimischen Respekt haben, dauerte es eine Ewigkeit, bis sich die Tiere zurückzogen. Mit zitternden Knien liess ich mich zum Freiluft-Restaurant führen, wo ich mich den ganzen Tag kaum vom Fleck rührte. „Das war gefährlich. Ab sofort dürfen Sie sich nicht mehr frei im Camp bewegen, sondern nur noch in Begleitung. Die Burschen kennen Sie jetzt,“ erklärten meine Retter. Offenbar hatte ich mich mit dem reizbaren, übellaunigen Chef einer Affensippe angelegt, der schon früher unangenehm aufgefallen war.
Erleichtert verliess ich anderntags das Masai Mara. Ist schon klar: nicht er ist in meinen Lebensbereich eingedrungen, sondern ich in seinen, aber dennoch… Kaum auszumalen, was nur allzu leicht hätte passieren können. Vom Affen gebissen zu sein, ist schlimm genug – geschweige denn von einer ganzen Sippe! Mich schaudert’s noch immer.
Elisabeth, 14.11.2018