
Forts.: Auf einem unserer Ausflüge erzählte der Reiseführer von einem Mann, der bei seinem Gang durch die Wüste beinahe verdurstete. Als er endlich einen tiefen Brunnen fand, stürzte er sich hinein und trank und trank. Der Versuch, wieder hinauszuklettern, scheiterte, weil die Wände sehr hoch und aalglatt waren. Wie kam er schließlich heraus? Denn er kam heraus. Großes Rätselraten. „Nass!!“ grinste Younes.

Im Gegensatz zur Wüste ist das Jordantal äußerst fruchtbar. Hier wachsen Orangen-, Zitronen- und Mandarinenbäume, weiden Schafherden und wilde Kamele. Allerdings ist dieses prächtige Stück Natur in Gefahr. Denn das Tote Meer ist ein Binnengewässer, das über keinerlei Abfluss verfügt. Es hat lediglich Zuflüsse, von denen der Jordan der größte ist. Aufgrund der Wasserknappheit im Nahen Osten wird dem Jordan das meiste Wasser entnommen, bevor er das Tote Meer erreicht. Das hat die fatale Folge, dass das Gewässer, welches permanent verdunstet, nicht genügend neues Wasser erhält, um seinen Wasserspiegel zu halten. Somit nimmt der Salzgehalt im Toten Meer zu und seine Größe wie auch sein Wasserspiegel nehmen ab. Da der Meeresspiegel pro Jahr um einen Meter sinkt, könnte das Tote Meer in 30 Jahren verschwunden sein.

Per Taxi liessen wir uns an einem der letzten Tage ins Handwerks- und Kunstzentrum KanZaman führen. KanZaman ist ein ehemaliges, von einer Mauer umgebenes Dorf, in dem heute Weber, Glas- und Silberkünstler sowie wunderschöne Läden untergebracht sind, und wo abends folkloristische Darbietungen stattfinden. Das Dorf wurde von Königin Alia gegründet, und deshalb kann man auch darauf vertrauen, echte Handwerkskunst zu einem realen Gegenwert zu erhalten. Wow, endlich tolle Läden!! Anstatt mit DEM MANN Tee zu trinken, machte ich eine fast schon euphorische Einkaufstour. Das kostbarste Stück, das ich in einem kleinen Antiquitätenladen erstand, war für mich eine römische Münze aus dem 3. Jahrhundert nach Christus mit Kaiser Constantins eingeprägtem Antlitz, die in der ehemaligen römischen Ruinenstadt Jerash gefunden wurde. Die Einfassung symbolisiert sowohl die Kirche wie auch die Friedenstaube. Laut Chef-Numismatiker der Berner Kantonalbank ist sie echt! Juhui! Es ist zwar keine ausgesprochen seltene, sondern eine Alltagsmünze, die den Toten als Grabbeigabe mitgegeben wurde, aber immerhin.


Als wir KanZaman etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang verliessen, gab der Chauffeur Gas, um uns noch den Mount Nebo (wenn auch bei schwindendem Tageslicht) erleben zu lassen. Nach der Legende liegt auf dem Mount Nebo Moses begraben. Und von hier aus soll ihm Gott das verheißene Land gezeigt haben, ohne ihm jedoch zu erlauben, es in seinem Leben je zu betreten, wie wir aus der Bibel wissen.

Da standen DER MANN und ich also kurz vor Sonnenuntergang auf dem Gipfel neben dem hohen Kreuz mit der Schlange, und zu unsern Füssen breitete sich die karge jordanische Landschaft aus, dahinter war im Dunst das fruchtbare Jordan-Tal, dann das Tote Meer und am gegenüberliegenden Ufer Israel, eben das verheißene Land, zu sehen. Von der Basilika, wo ein katholischer Priester für eine Gruppe Christen die Heilige Messe zelebrierte, wehten Gebete und leise Kirchenmusik herüber. Es war ein tief ergreifender Moment, wie wir so dastanden auf heiligem, uraltem Grund, im weichen, warmen, sich langsam ändernden Licht der untergehenden Sonne und der in Gold getauchten, wüstenartigen Landschaft zu unseren Füssen. Auf der ausgedehnten Rückfahrt ins Tal, den erstaunlich lange im Dämmerlicht liegenden Berg hinunter, kosteten wir die feierliche Stimmung bis zur Neige aus.

Sonnenuntergang auf dem Mount Nebo
Im Hotel erwartete uns eine «Arabian Night» mit feinem Beduinen-Essen und frisch gebrautem Kaffee. Dazu stand ein kleiner Ofen auf einem (natürlich echten) Orient-Teppich, und der Kaffee wurde mittels Holzfeuer zubereitet. Große Enttäuschung für uns kaffee-affinen Schweizer: es gab pro Person nur einen kleinen Schluck aus einem winzigen Tässchen. Dennoch hatten wir von den Schätzen Arabiens an diesem Tag besonders viel gekostet und freuten uns darüber.


Der „Kaffee“-Beduine
Es gäbe noch einiges zu erzählen, aber ich lasse es damit bewenden. Eine Gegend, ein Land selbst zu entdecken, macht noch mehr Freude, nicht wahr?


Ende.
PS: In eigener Sache: Ich mache PAUSE bis im März, da ich mich in den nächsten Wochen einer Operation des grauen Stars an den Augen unterziehen muss und diese daher etwas schonen muss. Das gilt fürs Schreiben und fürs Lesen am PC. Bis bald, liebe Grüße, Eure Elisa
08.02.2023