
Schmerz
Wartend sass ich im Korridor des Spitals. Da taumelte ein kleiner älterer Mann an mir vorbei, sank auf eine Liege ohne Decken und krümmte sich dort zusammen. Dann brach er in herzzerreissendes Schluchzen aus, unterbrochen von lauten Schreien. Ich ging zu ihm hin und fragte: «Kann ich Ihnen helfen? Haben Sie Schmerzen?» Es kam keine Antwort. Er verstand mich offenbar nicht und weinte weiter. Da niemand sonst da war, suchte ich nach einer Pflegefachfrau und bat sie, dem verzweifelten Mann, der augenscheinlich unter entsetzlichen Qualen leide, zu helfen. Lächelnd entgegnete sie: «Er hat gar keine Schmerzen. Er erholt sich nur vom Schrecken, in den ihn eine MRI-Untersuchung versetzt hat. Es war das erste Mal für ihn.»
Es gibt eben Leute, die empfindlicher sind als der Durchschnitt. Ausserdem erleben nicht alle Menschen Schmerz oder Angst gleich heftig, ebenso wie Gefühle der Freude und des Glücks nicht bei allen identisch sind. So wird die Pandemie ebenfalls seelisch von den einen weniger schlimm empfunden als von den anderen. Wahr aber ist auch, dass es Bevölkerungskreise gibt, die schwer betroffen sind, sei es durch den Tod und die Krankheit selbst, sei es dadurch, dass ihre Existenz auf dem Spiel steht. Wer nicht «nur» am Entzug von mitmenschlicher Nähe leidet, sondern auch finanzielle Einbussen oder sonstige Unbill erleidet, der hat natürlich auch mehr Grund zur Klage.

Als Rentner müssen DER MANN und ich wegen Corona glücklicherweise nicht mit wirtschaftlichen Nachteilen rechnen. Dennoch beginnt selbst unser Optimismus zeitweise zu bröckeln. Die Pandemie dauert schon zu lange. Die Angst verbreitet sich. In ganz Europa leiden die Menschen, unser Alltag scheint nur noch auf das eine Thema fokussiert zu sein. Ein beträchtlicher Teil unserer Unbeschwertheit ist verlorengegangen.
Je länger die Krise anhält, umso anspruchsvoller wird es, nicht den Mut zu verlieren. Sooft sind wir schon vertröstet worden… Es braucht Kraft, sich gegen Entmutigung zu stemmen. Immerhin weiss ich, was für mich von entscheidender Bedeutung ist: Ich lasse das Negative, wenn immer möglich, in Seele und Geist nicht anschwellen, versuche im Gegenteil, das Gute stärker zu gewichten, mein Herz mit dem Schönen zu füllen, das ich habe und erlebe – und es ist erstaunlich viel! Die Engländer nennen dies: Count your blessings / Zähle Deine Segnungen. Hat nicht der Reformator Martin Luther ebenfalls etwas sehr Kluges gesagt? Man kann sich nicht wehren, daß einem die Vögel über den Kopf herfliegen, aber wohl, daß sie auf dem Kopfe nisten. Das Gleiche gilt für schwarze Gedanken. Lasst sie ziehen, und nicht «einwurzeln»! Es bleibt uns überall noch eine Freude!

Unsere Pfarrerin hat am Reformationssonntag vom 1. November in ihrer Kurzpredigt unter anderem von den vier «V’s» gesprochen, die ihr einst als Rat für eine gelingende Ehe mitgegeben wurden, die aber ebenso gut zur jetzigen Situation passen:
v-erstehen, v-ertrauen, v-erzichten, v-ergeben
Probieren wir es aus: So schwer kann es eigentlich nicht sein!
Viel Zuversicht und Vertrauen wünscht Euch Elisa
4.11.2020

Liebe Elisa, danke für deinen Beitrag indem sich ein wahres Wort an das andere reiht.
Das Geschehen mit dem Mann tut mir in der seele weh. Er wurde mit seinen seelischen
Schmerz einfach alleine gelassen. Danke weil du dich angenommen hast. Nicht jede/r hätte das getan. Segen dir und alles Liebe!
M.M. grüßt aus Obe-Österreich
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Danke, liebe Monika-Maria. Du hast ein mitfühlendes, warmes Herz. Das berührt mich. Ich wünsche Dir alles Liebe und ebenfalls Segen, herzlich aus der Schweiz, Elisa
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Liebe Elisa,
danke für die klare Botschaft Deines Beitrags. Viele Menschen würden wegschauen und an einem anderen verzweifelten Menschen vorübergehen. Das darf man nicht, weil es oberflächlich ist und keine Nächstenliebe wäre. Es ist schön, jemanden zu finden, der soviel Empathie besitzt.
Alles ist gut! Nur Gott hat die globale Sicht über die Dinge. Wir müssen vertrauensvoll sein.
Herzliche Grüße
Gisela
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Liebe Gisela, Auch Du hast ein grosses Herz! Das ist schön und nicht bei allen der Fall. Aber ich glaube, wir sind nicht verloren, solange es Menschen gibt, die uns in Notsituationen helfen. Ich danke Dir für Deinen Beitrag, auch betreffend Vertrauen. Du hast in Deinem schwierigen Leben gelernt, auf Gott zu vertrauen. Mir geht es gleich. Ich wünsche Dir von Herzen viel Gutes und Schönes in Deinem Leben. Liebe Grüsse, Elisa
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Ein toller Beitrag, liebe Elisa!
„Zähle deine Segnungen“ ist ein gutes Motto. Und Luthers kraftvolle Sprache hat in mir seit meiner Jugend einen Fan.
Liebe Grüße
Marion
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Ja, liebe Marion, mir gefällt Luthers Sprache ebenfalls sehr – kein Wunder, schreiben wir doch auch gerne und können Könner auf diesem Gebiet gebührend schätzen. Ich danke Dir herzlich für Deinen Beitrag. Liebe Grüsse, Elisa
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Hallo Elisa, dein Artikel ist wirklich hoch motivieriend und ermutigend. Ich hatte viel Spaß beim Lesen! Hör nicht bitte auf zu schreiben!
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Liebe Vaishnavi, herzlichen Dank für Deine lieben Worte. Wie schön, dass Dir meine Beiträge gefallen. Ich habe nicht vor, mit Schreiben aufzuhören. Alles Liebe für Dich, Elisa
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Das freut mich!
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Liebe Elisa, sei gegrüßt! Dein Beitrag hat mir sehr gefallen und gut getan. Was Dein Mitgefühl anbetrifft findest Du in mir eine absolut Gleichgesinnte. Würden alle Menschen auch nur annähernd hilfsbereit und mitfühlend sein, wie viel besser wäre diese Welt! Corona beschäftigt auch uns und Deine ermunternden Worte tun gut in dieser Zeit. Freuen wir uns deshalb über die aktuelle Nachricht, dass doch in absehbarer Zeit ein Impfstoff zur Verfügung stehen soll. Wünschenswert wäre darüberhinaus ein Medikament, um Erkrankten wirkungsvoll helfen zu können.
Dann wären wir alle erleichtert und die Ungewissheit in vielerlei Hinsicht etwas genommen.
Einen restlichen zwar grauen, aber von Sonnenstrahlen und guten Gedanken durchbrochenen November, wünscht Dir und DEM MANN
Ursula
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Liebe Ursula, Deinen liebenswürdigen Worten ist eigentlich nichts beizufügen – wir denken in so vielen Dingen gleich, und das ist schön. Ganz herzlichen Dank für Deinen Beitrag. Liebe Grüsse aus der Schweiz, Elisa
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