Nachruf

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RUHE IN FRIEDEN, liebste Marianne, ich danke Dir.

Heute Nachmittag hast Du Dich auf die Reise gemacht, zu der ich Dir gestern alles Gute gewünscht habe. In diesem Jahr bist Du nun der sechste geliebte Mensch, von dem ich Abschied nehmen muss.

Ja, ich habe Dich sehr geliebt. In ein paar Wochen wärest du 99 geworden! Wie eine Mutter warst Du zu mir. Mit Deiner Klugheit und Deiner Lebenslust hast Du mein Leben enorm bereichert – Kindergärtnerin, Montessori- und Orff-Musik-Lehrerin, Graphologin, Psychologin und Englisch-Dozentin – dank Deiner vielseitigen Ausbildung, Deinem Kunstsinn und Deiner Lebenserfahrung konnte ich viel von Dir lernen. Ich sehe Dich noch, wie Du strahlend getanzt und gesungen hast. Immer hattest Du ein Lachen auf den Lippen, einen Scherz auf der Zunge, den Schalk in den blitzenden Augen, obwohl Dein Leben alles andere als leicht war. Ich erinnere mich an unsere unterhaltsamen Wanderungen, wo Du bereits im Zug das ganze Abteil unterhieltest und ich mir den Bauch vor Lachen halten musste über Deinen Mutterwitz, der jede Situation in Komik und spontane Fröhlichkeit zu verwandeln wusste. Bis zum 80. Lebensjahr bist Du um die ganze Welt gereist. Spiritualität hat Dich von Kindsbeinen an interessiert und Dein Leben lang begleitet.

In den frühen 80er Jahren lernten wir uns an einem Kongress für Englisch-Lehrer/innen kennen, als wir beide unterwegs von einem Workshop zum andern waren. Nach meiner Scheidung war ich gerade in einer schwierigen Lage und litt unter grossen Ängsten. Nur einen kurzen Blick hattest Du auf meine Englisch-Notizen geworfen und mich dann gefragt, warum ich in meinem Leben so viel Angst hätte, wo ich doch sonst bereits eine reife Persönlichkeit sei. Mir blieb der Mund offen! Beim späteren Apéro haben wir wieder zusammengefunden und uns sofort bestens verstanden. In Deiner Gegenwart dauerte es nicht lange, bis man in Dein herzliches Lachen einstimmen konnte, das so befreiend wirkte.

Viel haben wir in den beinahe 40 Jahren zusammen erlebt – doch unsere Freundschaft festigte sich noch in den letzten Jahren Deiner zunehmenden Demenz. Ich fand es bewundernswert, wie Du stets eine höfliche Haltung bewahrtest, Dein Essen und Deinen Kaffee immer sorgfältig und langsam zu Dir nahmst, nie zu danken vergassest für einen Besuch. Selbst der Schalk blitzte dann und wann wieder auf. Unvergesslich!

Ich bin froh, dass ich gestern noch von Dir Abschied nehmen durfte und Dir danken konnte – auch wenn DER MANN und ich nun 10 Tage in Quarantäne bleiben müssen.

Photo Elisa: Marianne

Drückt Ihr uns die Daumen?? Dankeschön!

28.10.2020, Elisa

20 Kommentare zu „Nachruf

  1. Ach Elisa, das tut mir so unendlich leid! 😦 Es ist, so stelle ich es mir vor, als wenn ein Stück von einem selbst wegbricht, wenn man einen Menschen verliert, mit dem man eine so lange und so innige Freundschaft geführt hat, oder?
    Gut, dass du sie gestern noch gesehen hast und ihr euch voneinander verabschieden konntet – so fiel es ihr sicher leichter, loszulassen….
    Fühl dich fest von mir gedrückt und sicher drücke ich dir fest die Daumen, dass eure Quarantäne gut ausgeht.
    Herzliche Grüße Bea 🍀💖👍

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    1. Liebe Bea, herzlichen Dank für Deine lieben Worte und fürs Daumendrücken. Ja, du hast Recht, ein Teil von einem selbst geht immer mit dem Tod einer geliebten Person mit. Ich lerne in diesem Jahr, vor allem von schönen Erinnerungen zu leben. Meine Freundin starb am Virus, ich wusste nicht, dass sie daran erkrankt war. Ich wäre sonst schon etwas vorsichtiger gewesen. Aber eben, ich bin dankbar, dass ich sie so kurz vor ihrem Tod nochmals sehen konnte. Ich glaube fest, dass sie wahrgenommen hat, dass ich bei ihr war, sie segnete, sie streichelte und mit ihr redete. Liebe Grüsse, Elisa

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      1. Liebe Elisa, damit von deinem Herzen nichts verloren geht, schicke ich dir einen kleinen Vorrat mit: 🤍💛🧡💚💙💜💖
        Bleib bitte gesund…..! 💗-liche Grüße Bea

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  2. Was für wunderbare Worte für einen geliebten Menschen! Du hast in der Tat ein ganz ganz besonderes Jahr 2020 erlebt, liebe Elisa. Und für mich ist es auch besonders, dass ich dich auf meinem Weg getroffen habe. Schön, dass es dich gibt, du Liebe!
    Brig

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  3. Liebe Elisa, es tut mir sehr leid. Du hast mein Mitgefühl für diesen großen Verlust, den Du in Deinen Erinnerungen so wunderbar beschreibst.

    Gottes Beistand für Dich und Deinen Gefährten. Du wirst gemeinsam mit ihm durch die Quarantäne gehen und danach wird es gut sein. Gottes Segen für Dich und Deine Freundin.

    Fühl Dich lieb umarmt.

    Gisela

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  4. Liebe Elisa, einen geliebten und geachteten Menschen zu verlieren ist unendlich schwer und traurig.
    Aber sei dankbar und das bist Du ja, dass es Deine Marianne gegeben hat und behalte sie in liebevoller Erinnerung. Auch ich habe eine ganz liebe Bekannte namens Marianne 85 jährig und alleinstehend aus dem Ruhrgebiet, gleich werde ich sie in Anlehnung an Deinen Nachruf anrufen. Es ist so wichtig, Kontakt zu halten und sie spüren zu lassen, dass jemand an sie denkt. Mit lieben Grüßen und guten Wünschen für Euer beider Gesundheit! Ursula

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    1. Ja, liebe Ursula, schöne Erinnerungen sind kostbar. Kontakte sind gerade in der jetzigen Zeit wahnsinnig wichtig. Manchmal vergessen wir, dass wir einander vielleicht morgen nicht mehr sehen oder anrufen können. Herzlichen Dank für Deine lieben Zeilen. Elisa

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