
«Camping, Camping, das ist meine Welt!» war früher ein gängiger Schlager. Vielleicht kennt ihn jemand von Euch? Für viele bedeutet Camping Freiheit, Spass und Entspannung.
Nicht so für meine Mutter, Camping war wirklich nicht ihre Welt. Meine tüchtige, musisch begabte Mama hatte mit Sport nichts am Hut, ebenso wenig mein Vater, obwohl beide gute Schwimmer waren. Wir machten am Sonntag meistens Ausflüge per Auto, die mit dem Besuch eines Tea Rooms endeten – oder gar im Schnee, wenn’s in die Berge ging.
Und doch stand in diesem Sommer plötzlich „Camping“ im Raum. Wer von den Freunden meiner Eltern war auf die Idee gekommen? Der temperamentvolle Arzt mit seiner eleganten Appenzellerin? Der dicke, lustige Konditor mit seiner fleissigen Frau und dem gutgehenden Café? Vielleicht sogar mein Vater? Denn in den Ferien regte sich bei Papa stets eine Art Abenteuerlust. Da konnte er z.B. nie der Versuchung widerstehen, seine Lieben auf dem Lago Maggiore oder dem Vierwaldstädtersee im gemieteten Motorboot spazieren zu fahren. Das ging fast immer schief, sei es, weil der Motor aussetzte oder Benzin verlor, sei es, weil das Boot in einen Gewittersturm geriet. Einmal musste gar die Luzerner Seepolizei eine pudelnasse, geschockte Familie samt verdattertem Vater retten. Was diesen allerdings nicht daran hinderte, sich in den nächsten Ferien wieder als Freizeitkapitän zu betätigen – nicht einmal Mamas Sträuben und ihre Proteste konnten da Abhilfe schaffen.
Ich weiss also nicht, wer den zündenden Funken in die Asche warf. Doch Tatsache ist: meine Eltern deckten sich innert Kürze mit allem Nötigen fürs Camping ein: einem kleinen Zelt, Luftmatratzen und Schlafsäcken, Kochutensilien mit entsprechendem Geschirr, neuen Badeanzügen und Strandkleidern. Noch heute sehe ich meine schöne Mama vor mir, wie sie vor dem Spiegel drei Sets von kurzen Shorts mit dazugehörigen gleichfarbigen Blusen aus robustem Stoff anprobierte und dann sorgfältig zusammenfaltete. Üblicherweise legte sie Wert auf smarte, bunte Kleider. Doch diesmal hatte sie einen Missgriff getan. Die Safarifarben, blasses Schilfgrün, Hellbeige und Khaki, betonten ihre weisse Haut auf ungünstige Weise, wollten so gar nicht zu ihrer Person passen. Für mich als Kind war es ausserdem ungewohnt und äusserst merkwürdig, meine Mama in kurzen Hosen zu sehen. Das Outfit war, wenigstens auf Grund der Farben, wahrscheinlich eher gedacht für Tropenausflüge als für Campingferien in Europa.
Damals, es sind bestimmt gegen die 70 Jahre her, trug «Frau» Dauerwelle, die das Gesicht in weichen Locken umrahmte. Man musste ihr Sorge tragen. Sobald das Haar kraus statt wellig wurde, hatte der Coiffeur gepfuscht. Dann galt die Dauerwelle als verdorben. Leider passierte das Kräuseln auch nachher noch, nämlich immer dann, wenn man ohne Schirm in einen Regenschauer geriet. Meine Mutter wurde bereits nervös, wenn ein paar wenige Regentropfen auf ihr Haar fielen.
Nachdem meine ältere Schwester und ich bei den Grosseltern «deponiert» worden waren, reisten die sechs Campingfreunde mit enorm viel Gepäck nach Südfrankreich ans Meer. Zwei Wochen wollten sie bleiben und gebräunt wiederkehren.
Nach drei Tagen waren meine Eltern zurück. Meine Mutter war verstört. In der ersten Nacht hatte es sintflutartig geregnet. Mein lieber Vater – der an sich geschickte Hände hatte – war alles andere als geübt darin, ein Zelt aufzustellen und solide zu sichern. Und so riss ihnen der Sturmwind, kaum waren sie eingeschlafen, das Zelt über Kopf und Leib weg. Das grosse, nigelnagelneue Stück Stoff wurde vom Sturm zerfetzt und verschwand auf Windböen in die Dunkelheit. Völlig durchnässt, in glucksenden Schuhen und unpassender Kleidung, mit sandverklebtem und erst noch gekraustem (!) Haar, mussten meine Eltern mitten in der Nacht ein Hotelzimmer suchen. Ich erinnere mich nicht mehr genau daran, was die übrigen vier Freunden in dieser Nacht erlebten, doch ging die Rede, dass das Camping für sie ebenfalls als «stürmisches» Fiasko endete.

Was hat Mama wohl gemacht mit den gewiss nicht billigen Strandkleidern, dem Koch- und Zeltzubehör? Nie mehr sah ich die Gegenstände, und das Wort «Camping» war von da an in ihrer Gegenwart tabu.
Elisa, 2.9.2020
Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen ….!
… von Herz zu Herz …
M.M.
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Liebe Monika-Maria, Reisen und Erzählen sind für mich Lebenselixiere. Für Dich auch? Liebe Grüsse, Elisa
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Liebe Elisa … ich bin in meinem Leben kaum gereist … ich möchte gerne einmal an die Ost- und Nordsee…. Segen dir!
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Liebe Monika-Maria, ich drück Dir die Daumen, dass Du bald an die Ost- und Nordsee fahren kannst. An der Nordsee war ich auch noch nie. Liebe Grüsse, Elisa
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Danke! Segen!
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haha…da kommen auch bei mir Erinnerungen aus der Kindheit hoch. Da wurden wir Kinder in einer Nacht alle geweckt und in die Mitte des grossen Zeltes , während die Männer draussen Wassergräben gruben und die Mütter versuchten verzweifelt, das Innere des Zeltes trocken zu halten, während der Regen erbarmungslos hernieder prasselte….
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Liebe Brig, herzlichen Dank für Deine Erinnerung! Ja, da kann einem die Lust am Camping vergehen… Liebe Grüsse, Elisa
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Hahaaaa)))) ….was für eine schöne Geschichte, Elisa.
So lange man nicht zu den Hauptdarstellern zählt, liest sich das rückblickend betrachtet überaus amüsant! 🙂 Danke für dieses Schmankerl aus deiner Vergangenheit, ich habe das sehr gerne gelesen! 🙂
Liebe Grüße Bea
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Liebe Bea, sogar für einen selbst ist im Rückblick ein solches Missgeschick amüsant, gäll. Das liebe ich an den Engländern: sie können ihre Erlebnisse auf lustige Art und Weise erzählen und haben die Lacher sofort auf ihrer Seite! Danke vielmals für Deinen Beitrag und liebe Grüsse, Elisa
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Danke für diesen farbigen und lebhaften Einblick!
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Danke DIR! Liebe Grüsse, Elisa
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Was für eine schöne Anekdote 😃
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Danke vielmals, Dein Beitrag freut mich! Liebe Grüsse, Elisa
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