Im Orient, Marrakesch (Teil3)

Photo by Anna Filyaeva on Pexels.com: Moschee

Obwohl sie uns lediglich einen flüchtigen Einblick in ein fremdes Land, eine andere Kultur gewähren, bleiben Ferienerinnerungen lange haften. Marrakesch ist der ideale Ort, um Träume aufleben zu lassen.

Nur drei Stunden dauert der Direktflug von Zürich nach Marrakesch. Umso überraschender fühlt es sich für DEN MANN und mich an, dass uns eine vollständig fremde Welt begegnet, kaum sind wir aus dem Flugzeug gestiegen. In Marrakesch bietet sich uns ein Fest für die Augen, eine Welt voller Geheimnisse und starker Düfte. Ekelhafte bleiben neben betörenden wie ein heißer Hauch in der Luft hängen und vermischen sich mit farbenprächtigen Szenen, die jeden unserer Sinne beleben. Zum ersten Mal hören wir die Rufe des Muezzins, die in regelmäßigen Abständen von einer der Moscheen durch die hitze-flimmernde Luft hallen; die Frömmsten werfen sich genau da, wo sie gerade sind, zum Gebet in den Staub, während die anderen diese Pflichten auf günstigere Momente verschieben. Was uns fasziniert, ist diese emsige Geschäftigkeit, dieses schillernde Zusammenspiel von Farben und Lebhaftigkeit, das die ganze Medina durchzieht und ihr ihren unvergleichlich orientalischen Zauber verleiht. Marokkaner sagen indessen: „Marokko offenbart sich nur jenen, die sich die Zeit nehmen, um Wasser zu schöpfen und eine Kanne Tee aufzugießen.“

Photo by Moe Shammout on Pexels.com: Im Orient

Widersprüche sind in diesem Land an der Tagesordnung und verwundern DEN MANN und mich: orientalische Gelassenheit mündet unvermittelt in Heißblütigkeit; immer wieder trifft man ausgesprochen warmherzige, teilnahmsvolle Menschen; daneben lauern Geschäftemacher wie die Spinne im Netz auf Arglose, um sie kaltblütig übers Ohr zu hauen. Aus den Souks kommt man erst nach Stunden wieder heraus – mit leichtem Portemonnaie, dafür vollbepackt mit Dingen, die man gar nicht zu kaufen beabsichtigte. Doch wer wollte auf einen Souk-Besuch verzichten? Ein mit Charme und Übertreibung gewürzter Kaufhandel ist unbezahlbar. Müsterchen gefällig?

Photo by Alex Azabache on Pexels.com: In den Souks

Der Kleiderhändler stülpt mir flugs ein langes Gewand über den Kopf, kichert entschuldigend, als er eine Sekunde lang mein Unterhemd erspäht. Um DEN MANN zum Kauf anzufeuern, lobt er ein übers andere Mal: „Oh, la jolie gazelle! Verkaufen sie sie mir!“ (Dieser Heuchler!) Im Teppichgeschäft tönt es: „Ich gebe Ihnen den wertvollen Teppich gratis, wenn Sie mir dafür Ihre schöne Frau dalassen!“ Was, ich bin gleich viel wert wie ein seidenes Prachtstück?

Happpytovisit.com: Kutschenfahrt

Der Verkauf liegt den Orientalen im Blut! Will man seinen Geldbeutel schonen, hilft eigentlich nur Weglaufen, bevor das obligate Glas Tee vor einem steht… In der Medina hält der Kutscher, der uns lediglich durch die Altstadt hätte fahren sollen, vor dem Laden eines Homöopathen. Der sieht mein wegen einer Venenentzündung verbundenes Bein, fragt: „Was hast du da?“ und schon liege ich auf seinem Schragen auf dem Bauch. „Du bist zu dick“, sagte er unverblümt und holt einen Schlankheitstee vom Regal. Nanu, wegen der paar Kilos?? Und ich habe gedacht, im Orient finde man mollige Frauen attraktiv. Aber hier geht’s nicht um Schönheit, hier geht’s ums Geschäft! Als zweites bekomme ich eine gründliche Massage an beiden Beinen und im Kreuz. Dann befiehlt er, DER MANN solle mir die entsprechende Venen-Salbe und das Öl täglich einreiben (Tu feras ça pour elle, n’est-ce-pas?), und ehe ich mich‘s versehe, stehe ich mit diesen beiden teuren Produkten, einem Schlankheitstee sowie einem (ebenfalls nicht selbst gewählten) Entspannungstee an der Kasse. DER MANN hingegen kommt ungeschoren davon. „Hättest du vielleicht gern Viagra bei mir gekauft? Nein, nein, nein, da weiß ich dir etwas viel Besseres: Üben, üben und nochmals üben…“.

Photo by julie aagaard on Pexels.com

Weiter geht’s mit unserer Kutsche durch die engen Gässchen der Medina und der Kasbah, oft kaum 3 bis 4m breit, hautnah vorbei am armseligen Alltag ihrer Bewohner, die sich unseretwegen an Mauern drücken und in Türbogen ducken müssen: Etwas betroffen blicken DER MANN und ich von den Kutschensitzen hinab in dunkle Buden und Werkstätten, vollgestopfte Läden und auf stinkende Abfallhaufen. Da spült jemand, im Hauseingang kauernd, Geschirr, dort wird munter repariert oder rasiert.

Ob wir wie die Marokkaner noch so fröhlich lächeln würden, wenn wir uns mit solchen Lebensumständen begnügen müssten? Oft scheint es, als hätten wir im Abendland trotz Wohlstand die Lebensfreude verloren. Reisen bereichert. Mich macht es zudem dankbar.

Elisabeth, 13.5.2020

9 Kommentare zu „Im Orient, Marrakesch (Teil3)

  1. Du sprichst mit mit allem aus dem Herzen!Da mein letzter Kommentar ungewollt sehr umfangreich ausgefallen ist, begnüge ich mich heute mit diesem einen Satz.
    Liebe Grüße Ursula

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  2. Dein Bericht erinnert mich an meinen eigenen Aufenthalt in Marokko vor 10 Jahren. Das war wunderschön, wir waren im Norden, in Meknes, Fes und hatten dort eine sehr eindrückliche Zeit erleben dürfen.

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