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Ich weiss nicht, ob es Euch ähnlich ergeht. Vermutlich ist es eher eine Altersfrage. Denn bei uns Älteren bricht das Thema Sterben jeweils ins Bewusstsein ein wie ein unerwünschter Gast, vor allem dann, wenn DER MANN und ich einmal mehr vor einem Sarg oder einer Urne stehen und Abschied von einem lieben Menschen nehmen müssen. Die Generationen vor uns äusserten sich kaum zum Tod, schienen ihn einfach so hinzunehmen. Und wir?

Mich dünkt, im 21. Jahrhundert befinden wir uns an einem Scheideweg. «Turmbau zu Babel» oder Ehrfurcht vor einer Höheren Macht? Will heissen: Wollen wir dem Schöpfer kräftig ins Handwerk pfuschen oder ihn gewähren lassen? Das Sterben hat sich für manche in unserer säkularisierten Welt offenbar in ein zunehmendes Schrecknis verwandelt, das es mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Wie sonst liesse sich erklären, dass vor allem Spezialisten in Technik und Medizin mit Hochdruck an Methoden arbeiten, um uns ein ewiges Erdendasein zu verschaffen? In einer Zeit, in welcher unsere Pflegeheime überquellen von sehr gebrechlichen, sehr dementen, sehr alten Menschen? In welcher jüngere Generationen von drängenden Umweltproblemen, Arbeitsplatzsorgen und zunehmendem Arbeitsdruck geplagt werden? Unsterblichkeit auf dem blauen Planeten – eine kühne Vision? Um Himmels willen nein! Mir graut vor einem solch eitlen, vermessenen Griff nach den Sternen.
Nicht, dass ich etwas gegen Technik im Allgemeinen hätte – sie erleichtert unser Leben in mancherlei Hinsicht und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die technischen Möglichkeiten sind indes für eine beachtliche Zahl von Freaks zur überhöhten Doktrin oder gar zum Gottesersatz geworden. Für sie ist das ewige Leben hier auf Erden in greifbare Nähe gerückt. Als Beispiele denke man nur an:
- Cyborgs (Menschen, die dauerhaft ein nicht menschliches Bauteil tragen. Gewiss, Herzschrittmacher, Hörgeräte, Armprothesen sind bereits Vorboten und überaus nützlich, aber echte Cyborgs wollen viel mehr);
- Kryonik (sich wie Walt Disney nach dem Tod einfrieren lassen, um später, wenn die Wissenschaft dazugelernt hat, wieder auferweckt zu werden);
- Mind-Uploading ist neuerdings ebenfalls im Gespräch: sein Gehirn samt der eigenen Persönlichkeit vor dem Nichts bewahren, indem man seinen Verstand, sein Wissen, seine Eigenschaften und Gedanken am Ende des Lebens auf eine Festplatte bannt, um wenigstens seinen Geist in einem Roboter oder Videogame wieder aufleben zu lassen…

Das sind verrückte Dinge, an denen jedoch schon seit Jahren geforscht und an deren Durchbruch unverrückbar geglaubt wird. Oder ist dies der Ausdruck einer neuen Evolution?
DER MANN und ich können uns nicht vorstellen, hier auf Erden ewig zu leben. Körper und Geist sind einem natürlichen Alterungsprozess ausgeliefert, gegen den die besten technischen Möglichkeiten keine glückliche Alternative bilden, und wären sie noch so ausgeklügelt. Wer will schon mit einem grösstenteils computerunterstützten Körper weiter existieren? (Mit Sicherheit wären dann wenigstens die #MeToo-Probleme gelöst…) Schlimmer noch: Ein beispielsweise 200jähriges oder gar ewiges Leben in einer völlig verfremdeten, womöglich nicht einmal mehr lebenswerten Welt wäre ein Alptraum. Wir würden uns bestimmt tödlich langweilen!
Wie habt Ihr’s mit dem Thema? Gewiss, das Sterben stellt für die Lebenden primär eine Urangst dar, ein unbegreifliches Geschehnis, eine eigentliche Absurdität, von der wir am liebsten nichts wissen würden (siehe auch meinen Beitrag vom 15.5.19). Verdrängen ist keine Lösung. Verpassen wir also nicht die Chance, im Leben zu reifen und zu lernen, am Ende vertrauensvoll loszulassen!

Ich denke, Menschen fürchteten sich schon immer vor dem Sterben, aber in uralter Zeit hat man der Angst einfach ein erdachtes Weiterleben entgegengesetzt. Während jedoch das einfache Volk bei schlechter Gesundheit oder in Kriegen früh starb, konnten es sich Pharaonen, Könige, Kaiser und andere einflussreiche Leute leisten, hoffnungsvolle Gegenmassnahmen zu treffen: Im alten Ägypten z.B. gab man dem Herrscher alles Nötige mit ins Grab, sogar Möbel und kleine Dienerfiguren, damit er, nach bestandenen Gefahren, im Hades auferstehen und im Jenseits das gleiche Leben wie im Diesseits führen könne. Auch die Kelten glaubten an eine Reise nach dem Tod, auf der irdische Güter notwendig waren. Ganz zu schweigen von den Azteken, die die Fürstengräber nebst Schmuck, Waffen und Gebrauchsgegenständen zusätzlich mit vorgängig grausam geopferten Gefolgsleuten ausstatteten.
Wie wir wissen, wurde in Indien die Ehefrau bei lebendigem Leibe mit dem Leichnam des Mannes verbrannt. Hochgestellte Chinesen befahlen ihre lebenden Ehefrauen gleich mit ins Grab. Besonders bekannt ist der erste chinesische Kaiser, der im Jahre 221 v.Chr. für sich eine riesige Grabanlage errichten liess, in welcher er 11 Jahre später beigesetzt wurde. Es ist einer der weltweit größten Grabbauten und vor allem berühmt für seine lebensgroßen Soldatenfiguren, die spektakuläre Terrakotta-Armee. Doch davon mehr in meinem nächsten Beitrag. (Forts. folgt)
Elisabeth, 5.2.2020
So ein vielschichtiges Thema.
Wie ich`s damit halte: Mal so, mal ganz anders. Mal gelassen und hinnehmend, mal unfassbar verwirrt und ängstlich…
Gruß von Sonja
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Liebe Sonja, vielen Dank für Deinen Kommentar. Mir scheint, dass Du das aussprichst, was wir alle bestätigen können. Liebe Grüsse, Elisa
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Danke für deinen Denkanstoß zu diesem sehr wichtigen Thema, liebe Elisa!
Ich denke noch nach darüber …
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Was für ein grandioser Beitrag, Elisa – du hast wirklich meinen Nerv getroffen und sehr viele Details eingebaut, sowohl technisch als auch geschichtlich, von denen ich nichts wusste. Ich würde deinen Beitrag von daher sehr gerne teilen, allein um ihn noch mehr Lesern zur Verfügung zu stellen – wenn ich denn wüsste, wie das hier funktioniert! 🙂
Aber zurück zum Thema:
Wie sagte bereits Bette Davis irgendwann Ende der (ich glaube) 80er Jahre so schön: „Old age ain’t no place for sissies.“ Und genau so ist es und genau da müssen wir (trotzdem) ALLE durch.
Faszinierend und irgendwie auch beruhigend ist, dass es für kranke und oder behinderte Menschen die Möglichkeit gibt, ihr Leben durch ‚Ersatzteile‘ (egal, ob durch menschliche Spenden oder 3D-Drucker) unbeschwerter und dadurch lebenswerter zu machen, keine Frage. Aber Unsterblichkeit ist selbst Robotern nicht gegönnt, denn alles ist nur eine Frage der zeit und irgendwann endlich. Und soll es für meine Begriffe auch bleiben.
Du hast schon viele Gründe aufgeführt, warum dir das wichtig ist, aber ich möchte noch folgendes hinzufügen:
Man kann noch so viele Körperteile ersetzen, um am Leben weiter teilzunehmen, aber der Körper als Solcher ist einfach auch bei guter Pflege nicht länger als 110 Jahre im besten Fall tauglich, um das Leben mit all seinen Facetten zu genießen…..
So.
Und wer von den Menschen, die JETZT ins Rentenalter kommen, ist so gut finanziell abgesichert, dass er dann wirklich LEBEN kann? Denn das Leben ist einfach nicht auf alte Menschen ausgelegt. Alles wird immer schneller, höher, weiter, technischer, immer komplizierter. Wer nicht mit der Technik mitkommt, ist raus. Und da gibt es auch nur wenig Förderung….
Der Großteil vegetiert irgendwo ausgegrenzt und alleine am Existenzminimum herum und fristet sein DaSein.
WER WILL DAS SCHON?!?
Worauf ich hinaus will?
Wenn die LebensIstZeit schon verlängert werden kann, dann MUSS auch das Budget im Alter stimmig sein. Und solange das nicht für JEDEN der Fall ist, ist das alles für mich nur Hokuspokus. Und da ich nicht auf Hokuspokus stehe, ja – bin ich manchmal wirklich froh, dass auch ich mittlerweile so alt bin, die weiteren Experimente gar nicht mehr mitzubekommen…….
In diesem Sinne 🙂 LG Bea
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Liebe Bea, das ehrt und berührt mich jetzt echt. Herzlichen Dank! Liebe Grüsse, Elisa
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Nicht dafür!
Und ich habe ja nur einen Teil deines Beitrags kommentiert – da fehlt noch so viel mehr – das Loslassen (können/müssen) und meistern dessen ebenso, wie die eigene Angst. Vor dem Altwerden ebenso, wie vor dem eigenen Sterben, dem Tod.
Wobei ich dir ja schon irgendwann mal schrieb, dass ich vor dem Tod als solchem keine Angst habe, sondern nur vor dem ‚Moment‘ bis dahin – sprich dem Sterben.
Da das aber für uns noch in hoffentlich weiter und heiterer Ferne liegen wird und ein so umfangreiches Thema ist, bin ich schon sehr gespannt auf deine Fortsetzung! 🙂 Herzliche Grüße Bea
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Liebe Bea, ja, schreiben ist das eine, es zu erleben das andere. Es ist ein so anspruchsvolles Thema, dass ich es nur „antüpfen“ kann und es den Rahmen eines Blogs wohl sprengt… Ich danke Dir für Deine lieben Zeilen und freue mich über unseren Kontakt. Herzlichst, Elisa
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Liebe Elisa, ich habe nochmal genau nachgesehen und würde jetzt wissen, wie ich deinen Beitrag teilen kann – wäre das für dich okay???? LG Bea
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Noch mal ich – da die Funktion da ist, mach ichs jetzt einfach 🙂 Bin nämlich gerade echt tief in dem Thema drin…..
Sollte es für dich jedoch nicht okay sein, lass es mich wissen – dann lösche ich den Beitrag wieder. Okay?
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Ich habe es selbst erleben müssen und hatte unsagbare Angst davor einen geliebten Menschen loszulassen . Heute kann ich sagen , es war bewegend und hat mich geprägt und stark gemacht , es geschafft zu haben in liebe Abschied zu nehmen und dabei zu sein . Man sollte niemand allein gehen lassen , das Leben in unserem Alter wird jetzt viel mehr mit diesen Themen konfrontiert . Nehmen wir es doch an , und stehen dazu . Entweder uns betrifft es persönlich oder im Freundes / Familien Kreis , da zusein für den der geht und für den der bleibt , ist so wichtig , hat mit Dankbarkeit zu tun und hilft uns es zu verarbeiten .
Liebe Grüße Mona
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Vielen Dank, liebe Mona, für Deinen bewegenden Beitrag und Deine Gedanken. Liebe Grüsse, Elisa
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Ein weites Feld, die Kultur des Abschieds. Für mich bin ich dankbar, wenn auch unfreiwillig, durch meine Art, zu leben, auf einem spirituellen Weg „geschoben“ worden zu sein.
L.G., Reiner
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mein schicksal wird sich erfüllen, so wie das eines jeden menschen. und ich will es vorher nicht wissen, wann und wie. deswegen versuche ich jede minute die ich habe lebenswert zu gestalten. und wenn mir ein mensch ans herz gewachsen ist, und mich verlassen muss, so freue ich mich über den weg, den wir gemeinsam gingen.
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Vielen Dank für Deinen Beitrag. Das ist schön, dass Du so gelassen bist. Ich bin da ein wenig anders, aber das Leben ist da, um zu lernen. Liebe Grüsse, Elisa
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Das Leben hat mich manches gelehrt. Und es hat manchmal weh getan.
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Ein großes Thema, das endlich den Beigeschmack eines Tabus verliert. Danke für deinen Beitrag dazu.
Ewiges Leben halt ich keinesfalls für erstrebenswert. Unser Planet wird jetzt schon immer enger, der bewohnbare Lebensraum gleichzeitig immer kleiner. Wie soll das funktionieren? Zum Teil verhalten sich die Menschen doch jetzt schon wie in der Käfighaltung.
Ich bin eine Befürworterin der aktiven Sterbehilfe, bei der jeder Mensch für sich selbst entscheiden darf, wann das subjektive Leiden zu groß wird. Liebe Grüße, Annette
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Danke für Deinen Beitrag, liebe Annette. Du hast absolut Recht. Die Enge macht uns Menschen je länger je aggressiver und intolerant. Das ist mehr als schade. Ich für meinen Fall wünsche keine lebensverlängernden Massnahmen. Liebe Grüsse Elisa
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Ein hochsensibles Thema welches Du liebe Elisa hervorragend in die Diskussion gebracht hast. Ich kann Dir nur zustimmen, auch ich möchte keine lebensverlängernden Maßnahmen und auch ich befürworte wie „Ruhrköpfe“ unter bestimmten Bedingungen eine aktive Sterbehilfe. Ungerne mache auch ich mir Gedanken zu diesem Thema – aber ich begrüße Deinen Mut und verfolge mit Interesse auch die Meinungen der anderen Blogfreunde.
Man muss sich damit beschäftigen. Unbestreitbar ist, dass das Leben endlich ist und demzufolge sollte man zu Lebzeiten alles möglichst so tun, dass man eben dann an dieser letzten Stelle nicht sagt: Hätte ich nur…..oder ..wenn es nocheinmal wäre, wenn ich nocheinmal die Chance hätte – denn dann ist es dafür zu spät!
Gesellschaftlich lässt vieles zu wünschen übrig im Umgang mit alten Menschen, wie auch Du es angesprochen hast. Gerade las ich in einer Ärztezeitung eine Aussage des Vizepräsidenten, Prof. Dr.med.habil.Uwe Köhler, die wie folgt lautet: „Nach meiner Meinung löst der Kapitalismus die Probleme auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Daseinsfürsorge in keiner Weise“ und macht das an vielen Fakten fest.Da kann man nur hoffen für den Rest unseres Lebens und für das unserer Kinder, Enkel und Urenkel….liebe Grüße
Ursula
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Liebe Ursula, herzlichen Dank für Deinen wertvollen Beitrag. Es freut mich sehr, wenn meine Beiträge zum Nachdenken anregen (Unterhaltung darf natürlich auch sein). Du äusserst tiefsinnige, ehrliche Gedanken, für die ein Blog eigentlich zu eng ist. Ich glaube, dass die Haltung gegenüber dem Sterben ebenso unterschiedlich ist, wie es verschiedene Menschen und Meinungen gibt.Guy Maupassant z.B. schreibt in seinem Roman „Bel Ami“ eine erschütternde Passage über die Verzweiflung eines Menschen, der den Tod vor Augen hat.
„Das Leben ist eine Anhöhe. Solange man hinaufsteigt, betrachtet man den Gipfel, und man fühlt sich glücklich; wenn man aber oben ankommt, erblickt man auf einmal den Abstieg und das Ende, das der Tod ist. Es geht langsam bergauf, aber schnell bergab… Leben heisst letzten Endes sterben… Ich sehe den Tod jetzt so nahe vor mir, dass ich oft am liebsten die Arme ausstrecken möchte, um ihn wegzustossen… Ich entdecke ihn überall. Die kleinen zertretenen Tiere auf der Landstrasse, die fallenden Blätter, das weisse Haar, das ich im Bart eines Freundes bemerke, all das frisst an meinem Herzen… Er verleidet mir alles, was ich tue, alles, was ich sehe, was ich esse und was ich trinke, alles, was ich liebe, die Mondnächte, die Sonnenaufgänge, das weite Meer, die schönen Flüsse und die süsse Luft, die wir an Sommerabenden atmen… Woran soll man sich klammern? Wen soll man in seiner Not anrufen? An wen können wir glauben? Alle Religionen mit ihrer kindischen Moral und ihren egoistischen, ungeheuerlich dummen Versprechen sind stumpfsinnig. Der Tod allein ist gewiss.“
Dies tönt für mich absolut trost- und hoffnungslos, solche Verzweiflung kann ich nicht teilen. Ich habe die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Ich weiss, dass auch Du ein sehr positiver Mensch bist, was mich immer wieder von neuem freut. Liebe Grüsse, Elisa
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Nachtrag:Passend zum Blog noch zwei Gedanken bzw. Zitate liebe Elisa! Bietet Stoff für weiteres Eindringen in Dein sensibles Thema.
1. „Ich lebe dem Unglück des Todes entgegen mit zusammengebissenen Zähnen“ schreibt Wieland Förster als einer der bedeutendsten deutschen Bildhauser der Gegenwart.
2. Ying und Yang: Verlust ist Bereicherung.
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Danke für die eindrücklichen Zitate. Liebe Grüsse, Elisa
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