Kindermund

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Kinder rühren uns an. Sie sind süss und machen viel Freude. Kleine Engel sind sie hingegen nicht.

Immer mal wieder realisiere ich, dass wir Erwachsenen bisweilen Dinge sagen oder besprechen und dabei die anwesenden Kinder vergessen, die die Diskussionen (oder den Streit) gar nicht zu Gehör bekommen sollten. Ich war auch so ein Kind, das den Anschein machte, total ins Spiel vertieft zu sein, obwohl ich nur deshalb mucksmäuschenstill war, weil ich es aufregend fand, den Erzählungen der Erwachsenen zu lauschen.

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Vor einiger Zeit wurde ich in einem Café Zeugin eines peinlichen Zwischenfalls. Am Nebentisch sass eine ältere Frau. Kurz darauf gesellte sich eine andere Frau mit ihrem kleinen Enkel dazu. Nachdem sich die Ankömmlinge gesetzt hatten, gratulierte die zweite Frau der bereits Anwesenden aufs herzlichste zum Geburtstag. Als Kaffee und Sirup auf dem Tisch standen, sagte sie zum Geburtstagskind: «Hier sind ein paar Pralinen und das hier» (sie überreichte mit grosser Geste einen Umschlag) «ist ein Geschenk von meinem Mann und mir». Der Junge schien beschäftigt. Still vergnügt schob er Spielzeugautos zwischen den Kaffeetassen hin und her. Doch jetzt hob er den Kopf und krähte unvermittelt: «Ich weiss, was da drin ist.» Seine Grossmutter wollte ihn zum Schweigen bringen und mahnte: «Sei doch still. Sie wird es dann zu Hause selbst sehen.» Doch der Bub liess sich nicht bremsen. Nun kam er erst richtig in Fahrt. Wichtigtuerisch rief er: «Es sind 50 Franken im Umschlag! Grossvater wollte zwar 100 Franken geben, aber du sagtest, 50 seien genug.» Das darauffolgende Schweigen der beiden Frauen hatte etwas Mitleid Erregendes. Beide sassen bestürzt da, die eine mit brennend roten Wangen, die andere kreidebleich. Als ich bald darauf das Café verliess, sprachen sie noch immer kein Wort miteinander, während der Kleine ungerührt und geräuschvoll weiterspielte und vor sich hinplapperte.

Soll man ein solches Kind bestrafen? Wohl kaum!

Elisabeth, 8.1.2020

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13 Kommentare zu „Kindermund

  1. Niemals darf ein Kind dafür bestraft werden, wenn es Dinge ausposaunt, die es eigentlich nicht hätte hören sollen/dürfen! Und ich hoffe sehr, dass das nicht nur der Oma im Nachgang bewusst wurde, sondern Jedem, der deine Geschichte liest, eine Lehre ist. Man kann da nicht oft genug dran erinnern….
    Kinder haben so enorm feine Antennen und bekommen mehr mit, als man glaubt! Von daher ist in Anwesenheit der kleinen Ohren immer Obacht angesagt. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe ja tagtäglich Kinder um mich herum und auch ich muss mir das immer wieder aufs Neue bewusst machen! Von daher danke für deinen Appell, den du wie immer sehr bildhaft und dennoch fürsorglich und ohne erhobenen Zeigefinger rüber gebracht hast, liebe Elisa.
    💗-liche Grüße Bea

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  2. Eine gute gedankliche Anregung und mitten aus dem Leben gegriffen! Meine Zustimmung: niemals ein Kind bestrafen, wenn es die Wahrheit sagt, auch wenn sie wie in diesem Fall sehr unangenehm und fast zerstörend sein kann.
    Als Erwachsene sollte man tatsächlich darauf achten, dass im Beisein von Kindern nichts in die falsche Kehle kommen kann. Aber wie wir sehen, kann dies ganz schnell passieren. Eine heitere und doch lehrhafte Geschichte als Einstieg ins neue Jahr liebe Elisa! LG Ursula

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  3. Das Kind spricht doch nur das aus, was die Erwachsenen verschweigen. Der Spruch mit dem „genug“ hätte von mir sein können, allerdings würde ich dann auch dazu stehen und gut ist es.Übrigens, Die Reaktion unter Männern hätte wahrscheinlich ganz anders ausgesehen.Eine heftige verbale Retourkutsche, ein Lachen und dann hätte man schnell einen Schnaps zusammen getrunken.Lg.

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    1. Das glaube ich Dir gerne, lieber Rainer. Das ist eines der Dinge, die ich an Euch Männern liebe: Ihr seid in Beziehungsangelegenheiten um einiges unkomplizierter als wir Frauen! Toll! Anderseits ist es doch auch schön, dass wir nicht alle gleich sind. Elisa

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