Georgien zum Sechsten – und Letzten

In Swanetien

Die Kunde vom Wanderparadies hat längst die Runde unter jungen Touristen gemacht. Und so reisen immer mehr Wanderer nach Georgien, um in den einsamen Berglandschaften auf Entdeckung zu gehen. Im Winter ist Ski fahren in diesen unwiderstehlichen Schneelandschaften bei Reisenden aus aller Welt gefragt. Der bekannteste Wintersportort, der am Berg Kudebi liegt, heisst Gudauri. Er ist 120km von Tbilissi entfernt, klebt sozusagen 2196m über Meer am Hang.

Gudauri war ursprünglich lediglich eine Poststation unterhalb des nahe gelegenen Kreuzpasses, an der die Postkutschen die Pferde wechselten. Die Lage ist ideal für Wintersport und Heliskiing, da es an den Abhängen weder Lawinengefahr noch tückische Felsbrocken unter dem Tiefschnee gibt. In den 1970er Jahren errichtete man die erste Seilbahn – nicht etwa für Touristen, sondern für eine georgische Kinderskischule. Heutzutage werden Skifahrer und Snowboarder in der Umgebung von Gudauri bis auf eine Höhe von 4400m gebracht, und der, wie wir fanden, ziemlich künstliche Ferienort wird im Eiltempo hochgezogen. Schade! Man kann nicht umhin, um die Unberührtheit der Natur zu bangen. Die Gegend sieht sommers wie winters in ihrer Ursprünglichkeit atemberaubend schön aus! Der Fortschritt lässt sich indessen nicht aufhalten. Viel mehr noch als für die Schweiz, ist der Tourismus für Georgien eine sehnlichst erhoffte Einnahmequelle.

Photo by Denis Linine on Pexels.co

Auf einem Tagesausflug fahren DER MANN und ich mit unserem Guide George über die vielen Kurven via Gudauri hinauf nach Kazbegi. Das Denkmal der Georgisch-Russischen Freundschaft befindet sich am Kreuzpass, etwas oberhalb von Gudauri. Es ist ein in leuchtenden Farben bemalter, monumentaler Halbkreis. Schön anzusehen, aber schwierig zu fotografieren! Eine unglaubliche Kälte und ein schneidender Wind lassen uns beim Aussteigen aus dem Auto erstarren und nach Atem ringen. Reflexartig kaufe ich mir an einem der touristischen Verkaufsstände in der Nähe viel zu grosse, warme Wollsocken. Als ob die mir Schutz böten vor dem Eiseswind!

Das Denkmal der georgisch-russischen Freundschaft
Mount Kazbegi im Winter

Offiziell heißt Kazbegi heute Stepanzminda. Durch den Ort führt die geschichtsträchtige ehemalige Heerstrasse im grossen Kaukasus, auf der wir hergefahren sind. Sie verbindet Georgien mit Russland. Wie schon in einem der letzten Beiträge erwähnt, führt sie südwärts bis nach Teheran. Das Tsminda Sameba Kloster ist das bedeutendste Pilgerziel Georgiens und liegt prachtvoll auf einem hohen Hügel. Wir hatten vor, dort hinauf zu spazieren, um den über 5000m hohen Mount Kazbegi noch besser bewundern zu können. Leider wird wegen des schlechten Wetters und dem dicken Nebel nichts daraus.  

So sieht der Mount Kazbegi bei blauem Himmel aus, links auf dem Hügel das Tsminda Sameba Kloster
So sah er bei uns aus. Wer von Euch findet ihn?

Auf dem Rückweg leuchten uns am Strassenrand reife Sanddornbeeren entgegen. Mmh, viel Vitamin C! Bevor ich die Hand ausstrecke, um ein paar davon in den Mund zu stopfen, fällt mir die Warnung einer amerikanischen Freundin im Josua-Tree-National-Park in ähnlicher Situation ein: «Halt, diese Beeren sind völlig ungeniessbar! Elizabeth, du vergiftest dich eines Tages noch, wenn du nicht aufhörst, fern der Heimat jede Beere zu pflücken und zu essen, die dir entgegenlacht.»  

Bei der Borjomi-Quelle kann man das berühmte Heilwasser direkt aus dem Felsen kosten. In der gleichnamigen Kurstadt trinkt man es ebenfalls direkt aus der Quelle. An der Heilkraft muss schon was dran sein, denn Borjomi-Wasser hat sich inzwischen zum wichtigsten Exportartikel Georgiens gemausert.

Nun stehen wir in den Bergen direkt vor dem Felsen, von dem das Wasser herunter rinnt. DER MANN ist skeptisch, während ich mir einen Probeschluck nicht entgehen lassen will. Schon in unserem Hotelzimmer haben wir mit dem in Flaschen abgefüllten gesunden Wasser Bekanntschaft gemacht. Ups, schmeckt eher ungewohnt und sauer aus der kleinen Röhre, die unten aus den Felsen ragt. Lassen wir einen Kenner zu Wort kommen: «Bald wird die erste Flasche geöffnet, Borjomi rinnt die Kehle hinunter. Ein leichtes Prickeln, Schwefel überzieht den Gaumen, und Salz, ja, Salz, zärtlich, aber bestimmt. Nach zwei, drei Schlucken kulinarischer Assimilation schmeckt dieses Wasser fantastisch, und die Zähne fühlen sich an wie frisch geputzt. Die Mineralien aus dieser Flasche müssen jene sein, die Ziegen tagein, tagaus von Steinen lecken.» (Fabian Stark, in der taz). Sieh an, da predigt einer Wein – und trinkt Wasser…

Die Borjomi-Quelle

Das neue Restaurant in Gudauri, in dem wir abends essen, trägt den Namen «Hofbräu München». Erwartet man hier in Zukunft vor allem Münchner Skifahrer? Obwohl wir ihn eingeladen haben, will George zuerst an der Kälte auf uns warten. Schliesslich kommt er doch an die Wärme und bestellt sein Lieblingsmenu. Wisst Ihr, was das ist? «Mexikanische Ofenkartoffeln» mit Tartaresauce. Meine Wahl, Schweinerippchen mit giftgrüner Pflaumensauce, ist weniger nach meinem Geschmack, während DER MANN begeistert vor einer feinen Bergforelle sitzt.

Fit fürs Münchner Oktoberfest?

Auf dem Berg beim Freundschaftsdenkmal hatte ich bei den dick vermummten Frauen ausser den Wollsocken frische Haselnüsse und ein kleines Glas flüssigen Honigs erstanden. Leider wird der Honig auf dem Rückflug beim Zwischenstopp in München vom deutschen Zöllner beschlagnahmt. Ich bitte ihn, eine Ausnahme zu machen. Oder ihn zu verschenken oder selbst zu essen. Er bleibt hart (muss er wohl), doch ich bin empört, als ich sehe, wie er die goldgelbe Köstlichkeit einfach fortschmeisst. Eigentlich hätte ich es wissen müssen, Glas im Handgepäck ist nicht erlaubt. Letztes Jahr war ich klüger. Damals wickelte ich ein paar Gläser mit korsischer Konfitüre in weiche, etwas ausgehöhlte Klosettrollen aus dem SPAR und versorgte sie im Fly-Gepäck, wo sie den Flug problemlos überstanden. Auch in Tiflis hatte es gegenüber unserem Hotel einen «SPAR»-Laden, wo ich ohne Weiteres Klosettpapier bekommen hätte…

Es gibt also mehr als einen Grund, Georgien ein weiteres Mal zu besuchen!

Die sogenannte Himmelsleiter

Elisabeth, auf Georgisch: ელიზაბეთ, 20.11.2019 

11 Kommentare zu „Georgien zum Sechsten – und Letzten

    1. Liebe Bea, es macht mich glücklich, dass Dich mein letzter Beitrag begeistert hat. Ich schreibe den Blog, um anderen eine Freude zu machen. Herzlichen Dank für Dein Kompliment. Apropos Reisen, kennst Du den schönen Satz von Sigismund von Radecki? „Man reist, weil es auch in der Schule des Lebens schwer ist, immer still auf seinem Platz zu sitzen. Man muss hie und da einmal über den Gartenzaun hinauslehnen, sonst verengt sich der Horizont.“ Liebe Grüsse Elisa

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  1. Erstaunlich, was Du alles erlebt hast auf Deiner Georgienreise und wie gut Du es verstehst die Erlebnisse an uns weiterzugeben. Wir sind die kaukasische Heeresstraße vor ca 45 Jahren mit dem PKW gefahren ( 4 Wochen mit insgesamt ca 9000 km), noch heute eine unvergessliche Reise. Über Georgien haben wir nun durch Dich viel dazugelernt. Da wir durch mehrere Sowjetrepubliken gefahren sind, konnten wir z.B. auch Georgien nicht so tiefgründig erforschen wie Du und DER MANN. Das Schöne daran, Erinnerungen werden wieder geweckt.
    Dafür danken wir Dir!

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  2. Wenn ich deinen Beitrag lese, wird mir einmal mehr bewusst, wie viel ich in Georgien verpasst habe. Dabei waren wir schon 17 Tage dort, fahren jetzt schon wieder zum Snowboarden nach Gudauri und könnten immer wieder kommen!

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    1. Das ist doch toll! Jedes geht dahin, wo es ihn am meisten hinzieht. Bestimmt hast Du alle Zeit der Welt, auch Tbilissi einmal etwas näher anzuschauen. Danke vielmals für Deinen Beitrag und viel Spass beim Snowboarden. Liebe Grüsse, Elisa

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  3. Liebe Elisa, wie es aussieht habe ich damals schon unter deinem Beitrag kommentiert. 2018 war ich bereits als Rucksacktourist in Georgien unterwegs und begeistert, wie unberührt und ursprünglich das Land noch wirkte. Nur 1, 5 Jahr später sind wir erneut dort gewesen, um in Gudauri zu snowboarden. Man merkt, wie sich das Land mehr und mehr dem wachsenden Tourismus beugt. Für die dortige Wirtschaft ist das sicher toll – wenn man sich aber in das kleine, unberührte Paradies verliebt hat, ist es schade.
    Tatsächlich liegen unter den Pisten Gudauris viele tückische Felsen, die bislang nur durch genügend Schnee verdeckt waren. Dieser Winter war deutlich zu warm, wodurch viele der scharfen Felsen durch die Schneedecke stachen und abseits der Pisten auch Lawinengefahr bestand. Liebe Grüße, Hanna

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    1. Ja, liebe Hanna, das Untergehen des kleinen Paradieses beschäftigt auch uns. Aber eben: Jeder Tourist, auch der achtsamste wie Du und ich, tragen ein klitzekleines Stück dazu bei, dass sich ein Land langsam aber sicher ändert. Die Georgier sind dringend auf die Einnahmen der Reisenden angewiesen. Es ist ein trauriges Dilemma, sie verspielen damit Georgiens Zauber. Wir empfanden Gudauri wie einen Fremdkörper mit den lieblosen Bauten, den Skiliften und dem „Münchner“ Restaurant. Deine Bemerkungen über die Pisten finde ich hochinteressant, darf ich sie gelegentlich anderen Bloggern bekannt machen? Danke Dir und liebe Grüsse, Elisa

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      1. Natürlich ist es immer schade, wenn Orte durch den Tourismus ihre Ursprünglichkeit verlieren. Aber es ist auch irgendwo verständlich und indem wir über diese Orte schreiben, sind auch wir ein Stück weit dafür verantwortlich. Und selbstverständlich kannst du die Infos nutzen, Liebe Grüße, Hanna ☺️

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      2. Danke für die Genehmigung, du kennst dich beim Wintersport in Gudauri ja super aus. Ja, der Tourismus ist ein zweischneidiges Schwert. Wir in der Schweiz profitieren ebenfalls in hohem Masse davon. Jetzt klagen die Tourismusorte, weil viele Touristen wegen der Pandemie wegbleiben. Das Überleben hat eben auch einen wichtigen Stellenwert. Liebe Grüße Elisa🐞

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