
Wenn ich im Ausland bin, kaufe ich fürs Leben gerne ein. Geht es Euch auch so? Den internationalen Läden zum Trotz gibt es noch überall viel Unbekanntes zu bestaunen oder zu erwerben. Gerade in Geogien sind Geschäfte und Auslagen derart farbenfroh und ungewohnt, dass «Lädelen» eine helle Freude ist.

Doch auch Hochzeiten sind etwas fürs Auge – d.h. eher fürs weibliche denn fürs männliche… Kirchliche Vermählungen finden in Georgien an Samstagen oder Sonntagen statt (hier wohnende Armenier bevorzugen den Freitag). Die orthodoxe Kirche und der Glaube liegen den Menschen in diesem Land am Herzen.
Wie bei uns, gibt es entweder bescheidene oder luxuriöse Hochzeiten. Es ist möglich, samt Familie und Freunden für weniger als umgerechnet 300 Schweizer Franken zu feiern. Paare, die sich traditionstreu (oder vielleicht im Liebesrausch?) für eine luxuriöse Hochzeit entscheiden, zahlen die daraus entstandenen Schulden oft ein ganzes Leben lang ab, denn dazu sind nach georgischer Tradition ein paar hundert Gäste eingeladen, manchmal sogar mehr als 500 Personen. Was soll’s? Wenn ich als Frau einer der glamourösen Hochzeitsgesellschaften begegne, dann verstehe ich es! Das ergibt doch ein prächtiges Fest, und die Georgier feiern fürs Leben gern. Nicht nur die Braut (aber diese natürlich besonders), auch die übrigen Damen sind wunderschön geschminkt und frisiert, ausserdem tragen sie lange, märchenhafte Roben, während die Männer entweder in Trachten oder sonstigen eleganten Anzügen ihre Würde zur Schau stellen. Denkt Euch: Bei einer traditionellen Hochzeit muss der Brautvater fünfhundert bis tausend Liter Wein für die Gäste bereithalten!! Der Weinbau in Georgien rühmt sich einer etwa 8000jährigen Tradition. „Die ältesten Samen kultivierter Weinreben wurden in Georgien gefunden und auf 6.000 vor Chr. datiert,“ schreibt Rod Phillips in ‘A Short History of Wine’. Es ist also nicht erstaunlich, dass Georgien die ‘Wiege des Weins’ genannt wird.

Unsere tolle Reiseleiterin Kati empfahl uns einen Samstagsbesuch in der Sameba Holy Trinity Church. Diese ist eine der Hauptkirchen der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche und Sitz ihres Patriarchen. Als grösstes Kirchengebäude in Transkaukasien dauerte ihre Erbauung 7 Jahre, also von 1996 bis 2003. Am Wochenende geht es in der majestätischen Kirche auf dem Hügel hoch zu und her. Ein Paar ums andere wird vom verehrten Patriarchen getraut, während die Gäste sie umringen, gespannt zusehen, Kinder fröhlich herumspringen. Wenn der Patriarch sie schliesslich zu Mann und Frau erklärt hat, dürfen sich die Gäste nähern und dem frisch getrauten Ehepaar gratulieren. Schön! Katis Rat haben wir nicht bereut.
Wir beobachteten das Ganze aus dem Hintergrund. Dennoch sahen wir, weshalb bei einer der Trauungen plötzlich eine Unruhe entstand und alle die Hälse reckten: Die schöne Brautführerin, die mit drei anderen jungen Leuten neben dem Paar stand, sank lautlos in sich zusammen. Die Braut fing sie auf, aber mehr konnte sie nicht tun. Während die Trauungszeremonie ihren Fortgang nahm, trugen ein paar Freundinnen die Ohnmächtige zum Altar und legten sie auf eine der Steinstufen. Jetzt gesellte sich ein Priester zur kleinen Gruppe. Schwungvoll, mit grosszügigen Spritzern aus dem Weihrauchgefäss, benetzte er die Liegende, bis sie sich ein wenig aufrichtete. Doch Wunder konnte das heilige Wasser nicht bewirken. Die Frauen mussten ihr weiterhin beistehen. DER MANN und ich gingen aus der Kirche und setzten uns draussen hin, um das herrliche Wetter zu geniessen. Kurz darauf führten die Frauen die Ärmste ebenfalls an die frische Luft und halfen ihr auf eine Bank in unserer Nähe. Trotz des frischen Windes, trotz der Fürsorge der Freundinnen, die ihr Gesicht und Dekolleté mit Kölnisch Wasser betupften, schien sie sich nicht zu erholen. Mit bleichem Gesicht schnappte sie immer wieder nach Luft. Nach einer Weile kam eine Gruppe junger Männer aus der Kirche. Sie lachten, scherzten und brachten der jungen Frau Süssigkeiten. Waren es die Süssigkeiten oder die Anwesenheit der hübschen jungen Männer? Jedenfalls war die Ohnmacht im Nu verflogen. Stattdessen zeigte sie sich lächelnd, ja sogar ausgelassen. Als das Brautpaar und die übrige Gesellschaft die Kirche verliessen, lief sie flink wie ein Wiesel hinter ihnen her, die Stufen hinunter, im langen türkisblauen Kleid – und barfuss. Wo waren ihre Schuhe geblieben? Auf der Altarstufe?

A propos Schuhe: Bei zwei Bräuten habe ich per Zufall entdeckt, dass sie unter dem schicken Kleid klobige weisse Turnschuhe trugen. Man sah die bequemen Treter allerdings nur dann, wenn ein starker Wind das festliche Kleid bauschte. Witzig – oder eher klug? Beim Tanzen ist’s auf jeden Fall bequemer.
Was sagt Ihr zu diesem Hochzeitspaar? Nicht gerade glanzvoll und erst noch ohne Gäste. Dafür gibt’s garantiert keine lebenslangen Schulden.
Elisabeth, 9.10.2019
was du nicht alles zu erzählen weisst! Die Gesichter des Hochzeitspaares gefallen mir, das Schwert irritiert mich jetzt gerade etwas, obwohl es schon Sinn macht…..ich denke gerade an das hebräische Wort für Waffe – Zain – was in der Umgangssprache auch für Penis benutzt wird..haha. Wenn man das Bild mit dieser Info betrachtet….
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Haha, liebe Brig! Ein solcher Gedanke ist mir gar nicht gekommen, aber beim erneuten Betrachten… Meine Erklärung ist eher: In Georgien musste man lange, lange, bewaffnet sein. Das Land hat eine leidvolle Geschichte hinter sich und ist erst seit 1991 frei und eine Demokratie. Die „Mutter Georgiens“, Kartli, steht als grosse Statue auf dem Gebirgskamm im Westen von Tbilissi. Sie hält in der linken Hand eine Schale mit Wein, was die Gastfreundschaft der Georgier gegenüber Freunden versinnbildlicht, während sie in der rechten Hand ein Schwert trägt zur Verteidigung gegen Feinde. Herzlichen Dank für Deinen Kommentar und die interessante Information! Liebe Grüsse, Elisa
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Wieder eine sooooo schöne Geschichte, Elisa – danke fürs Teilen! 🙂 Herzliche Grüße Bea
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Das freut mich, liebe Bea, vielen Dank! Du kommst bestimmt auch mit schönen Geschichten zurück aus Lissabon. I’m looking forward to it. Hab’s gut und liebe Grüsse, Elisa
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