Stille Freude

Mit meinem Sohn verbrachte ich zwei Wochen an einem bulgarischen Ferienort am Schwarzen Meer. Dichter Wald wuchs teilweise bis an den Sandstrand. Sobald es Abend wurde, zogen appetitliche Grilldüfte und wehmütige Musikklänge durch die Strassen des Ortes. Es gab viele originelle Waldrestaurants, z.B. das «Baumhaus», das «Zigeunerlager», der «Bärengarten»… Obwohl sie sich auf versteckten Waldlichtungen befanden, musste man nur den Grillschwaden und den schmalen, mit leuchtenden Lämpchen markierten Pfaden folgen, um dahin zu gelangen.

An einem der Abende sassen wir in der abendlichen Kühle draussen in der «Mühlenoase». Der Service war ausgesprochen langsam, doch die Stimmung fröhlich, der Ort friedvoll und lauschig: Die alte Mühle neben dem Haus klapperte gemächlich, durch das üppige Grün des Gartens fächelte eine leichte Brise, verströmten blühende Rosen einen betörenden Hauch. Ein älterer Mann setzte sich zu uns. Er sah freundlich aus. Bald versuchte er mit uns zu plaudern, doch wir hatten Sprachschwierigkeiten. Knapp verstand ich, dass er Finne war. Finnisch ist nun mal keine so geläufige Sprache, und er kannte keine der uns vertrauten Sprachen. So beschränkten wir uns während des Essens auf Gesten und hin und wieder ein Lächeln.

Fürs Dessert – flambierte Crêpes – musste man ans äusserste Ende des Gartens gehen. Als ich dort ankam, wartete bereits eine lange Schlange. Der Koch nahm’s gemütlich. Auch ich musste mich in Geduld üben, fast eine halbe Stunde lang. Kurz bevor die Reihe an mir war, dachte ich plötzlich, der Finne hätte bestimmt auch gerne eine Crêpe und müsse dann ebenfalls so lange anstehen. Kurzerhand kaufte ich 3 statt nur 2 Crêpes und brachte sie an den Tisch zurück.

Inzwischen war, wie mein Sohn erzählte, eine Blumenfrau vorbeigekommen, und der Finne hatte ihr gewinkt. Auf meinem Platz lag ein wunderschöner Nelkenstrauss. Der Unbekannte hatte offenbar zur gleichen Zeit an mich gedacht wie ich an ihn. Kommunikation ist nicht immer auf Worte angewiesen, vor allem dann nicht, wenn man jemandem eine Freude machen will!    

Elisabeth, 26.6.2019

6 Kommentare zu „Stille Freude

    1. Liebe Ursula, danke, dass du selbst bei dieser Hitze meinen Blog liest. Hast Du das Foto vom lagunengrünen Kleid gesehen? Wir haben es auf Deine Anregung hin gemacht… Auch hier ist’s hitzig. Gut ist’s, wenn man wenigstens nicht viel machen muss. Frohe Feriengrüsse, Elisa

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