Für fünf Franken habe ich an einer Frauenkleiderbörse einen halben Tisch und einen Ständer gemietet. Es ist das erste Mal, dass ich mich auf so etwas einlasse. Es ist jedenfalls eine gute Gelegenheit für nette Kontakte zu anderen Frauen.
Meine 10 Röcklein hängen etwas verloren da, der Tisch bleibt leer, und mir schwindelt, als ich beobachte, wie andere Frauen Hunderte und Aberhunderte von Hosen, Pullovern, Schals, T-Shirts, Röcken, Blusen, Jacken auspacken und gekonnt auf ihren Tischen drapieren. Es hat zum Teil überraschend schöne Stücke dabei. Neben mir packt eine Frau ebenfalls emsig ihren, wie es scheint, gesamten Kleiderschrank aus Taschen, Schachteln und Koffern. Als sie ausserdem etwa 20 Paar Schuhe aus den Tiefen ihrer Plastiksäcke ans Tageslicht holt, wabern vom Platz in meiner Nähe Geruchsschwaden herüber, dass ich den Atem anhalten muss. Alarmiert werfe ich einen Blick auf die Schuhauswahl, sehe alte Gummistiefel, völlig ausgetretene Pumps, die kein Schuhmacher mehr reparieren würde, sowie jede Menge verschmutzter Turnschuhe. Ist etwa ihre Jungmannschaft von zu Hause ausgezogen? Die grosse Überraschung kommt noch: Kaum sind die ersten Käuferinnen erschienen, hat sie bereits zwei Paar Turnschuhe verkauft, für zwei Franken das Paar. Kein Wunder, strahlt sie. Lebhaft geht es weiter bei ihr. Mein eigener Ständer wird laufend ohne Resultat durchwühlt, so dass ich die wenigen Kleider regelmässig neu ordnen und wieder aufhängen muss. Neben dem Ständer stehend, werde ich Zeuge folgender kleinen Szene: Eine Käuferin kommt mit einem der ramponierten Schuhe zurück und sagt zur Verkäuferin: „Riechen Sie mal, der Schuh stinkt!“ Die Frau entgegnet freundlich: „Ich rieche nichts.“ Da hält die Kundin mir den Schuh unter die Nase und fragt: „Finden Sie nicht auch, dass der Schuh stinkt?“ Natürlich bejahe ich, ich muss ja nicht einmal aus der Nähe schnuppern. Darauf meint die Verkäuferin: „Das macht doch nichts, stellen Sie den Schuh einfach ein Weilchen an die Sonne, dann stinkt er nicht mehr!“ Ach, wenn im Leben nur immer alles so einfach wäre!
Gehorsam packt die Käuferin das ‚corpus delicti’ wieder in die Tasche. „Wissen Sie“, sagt sie noch zu mir, bevor sie geht, „ich kaufe immer gebrauchte Schuhe, dann bekomme ich keine Blasen an den Füssen.“ (Und was ist mit Fusspilz??) Jemand will das Kleid kaufen, das ich trage, doch sonst? Nach drei Stunden liegen zwanzig Franken in meiner Kasse, immerhin! Und an Unterhaltung hat es mir wahrhaftig nicht gefehlt!
Elisabeth Ambühl, 25.6.2018
Ich bin gespannt auf weitere (vergnügliche und andere) Alltagsgeschichten….
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Liebe Elisa
Ich gratuliere zum ersten Post! So amüsant zu lesen. Ich bin gespannt auf dein nächstes Abenteuer.
Herzliche Grüsse
Barbara
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Vielen Dank, liebe Barbara.
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